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Das Pest-Gewölbe

Das Pest-Gewölbe

Titel: Das Pest-Gewölbe
Autoren: Jason Dark
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zu einem kantigen Lächeln in die Breite gezogen worden. Zwischen Ober- und Unterlippe schimmerte das Weiß der Zähne. Nur empfand Vivian dies nicht als Lächeln. Es glich einem kalten, starren Lauern, und es paßte zu dieser Person, das mußte sie schon eingestehen.
    Das Lächeln blieb böse, das Gesicht blieb kalt. Nicht ein Zucken, nicht eine Regung. Wer diese Frau betrachtete, konnte sich kaum vorstellen, daß sie lebte.
    Es war das Gesicht einer Maske oder das eines Clowns. Vivian wußte nicht, was sie denken sollte. Sie kam einfach nicht darüber hinweg, alles war so anders geworden. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken, ohne daß sie zu einem Resultat gekommen wäre. Was hier passierte, war für sie nicht zu begreifen.
    Und es war nicht allein das Gesicht in der Spiegelfläche. Es mußte zu einem Körper gehören, denn die Frau erkannte deutlich den Halsansatz, auch wenn er nach einer Weile mit der hellen Fläche des Spiegels einfach verschwamm, als wäre er von ihr aufgesaugt worden. Wer war diese Person?
    Immer drängender und auch bedrückender stellte sich die Frage, und Vivian kam damit nicht zurecht. Im Traum hatte sie die Person gesehen, dort war sie ihr erschienen wie ein Geist, hervorgestiegen aus irgendwelchen Tiefen des Unterbewußtseins, aber sie begriff einfach nicht, daß sich eine derartige Traumgestalt auch in der Realität als Spiegelabdruck zeigen konnte.
    Hier waren Dinge in Fluß geraten, die auf einer anderen Wellenlänge lagen. Zu hoch für Vivian, zu unbegreiflich. Sie hatte als Frau immer alle Freiheiten gehabt, aber dieses Badezimmer war für sie zu einem kalten Gefängnis geworden, und sie wußte auch, daß die unbekannte Person nicht grundlos den Kontakt mit ihr aufgenommen hatte. Da gab es eine Verbindung, Vivian glaubte fest daran.
    Je länger sie in den Spiegel schaute – ob es Sekunden oder Minuten waren, wußte sie nicht – um so stärker drängte sich in ihr das Gefühl der Hilflosigkeit hoch. Es war wie ein innerer Panzer, der gegen alles drückte, was sie als Mensch ausmachte. Sie fühlte sich wie in einem Gefängnis, und auf ihrer Haut lag eine Kälte, die sie schaudern ließ.
    Trotzdem bedeckte Schweiß ihre Stirn. Der Mund stand offen, sie atmete, ohne es richtig zu spüren, das Herz klopfte noch immer schnell, aber es schien sich in einen Eisklumpen verwandelt zu haben.
    Der Mund lächelte ihr zu.
    Ein eisiges Lächeln, dann bewegte sich das fremde Gesicht im Spiegel sogar nach vorn und deutete ein Nicken an.
    Ja, es galt ihr.
    Wir gehören zusammen. Du wirst mir nicht mehr entkommen. So deutete sie das Lächeln. Und dann war es vorbei.
    Das Gesicht zog sich zurück. Es tauchte in die Spiegelfläche ein, sofern man davon überhaupt sprechen konnte. Jedenfalls war es nicht mehr zu sehen, alles war wieder normal geworden, und Vivian schien nur einen bösen Traum erlebt zu haben.
    Sie wußte, daß es kein Traum gewesen war. Ganz und gar nicht. Sie hatte das Gesicht gesehen, sie war von ihm angestarrt worden. Sie hatte auch die Botschaft empfangen, und die Frau wußte, daß dieses Gesicht und die neue Creme in irgendeinem Zusammenhang standen. Auch wenn ihr noch nicht klar war, wie dies passieren konnte.
    Vivian ging zurück. Dabei rutschten ihre Hände vom Rand des Waschbeckens ab und fielen nach unten. Sie ließ die Arme ausschwingen und fragte sich, was sie falsch gemacht hatte und wie alles nur weitergehen sollte. Sie wußte es nicht. Sie steckte fest, sie war plötzlich eine Gefangene, die an nichts anderes mehr denken konnte als an dieses Gesicht und an ihre Beziehung dazu.
    Schwer fiel sie auf einen Hocker. Sie saß da wie eine Puppe, die ins Leere starrte.
    Mit nichts kam sie mehr zurecht. Am allerwenigsten mit sich selbst. Tief atmete sie durch. Das Zittern blieb, und als sie gegen ihre Hände schaute, kamen ihr die Finger vor wie lange, weiße Stöcke. Tränen rannen aus ihren Augen und fanden den Weg über die Wangen.
    Plötzlich fühlte sich die Frau wahnsinnig allein. Dieses Bad war wunderbar, es zeigte eine schon unvernünftige Größe, aber es kam ihr immer mehr vor wie ein Goldener Käfig, in dem die Stille regierte. Keine andere Stimme durchbrach die Ruhe. Das Personal wußte, wie es sich zu verhalten hatte. Die gnädige Frau sollte nicht gestört werden.
    Vivian lachte glucksend, senkte wieder einmal den Kopf und schüttelte ihn.
    Es war verrückt, es war widersinnig und unbegreiflich.
    Ein Tuten störte ihre Gedanken. Im ersten Augenblick wußte sie
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