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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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entwickelt hatte, war nicht begeistert, als sein Schützling sich schließlich ganz der Philosophie
     zuwandte. Doch Marc Aurel wollte nicht nur Kulturtechniken, sondern auch Wissen über das richtige Verhältnis des Menschen
     zur Welt erwerben.
    Seine eigentliche »Bekehrung« zur Philosophie wird allgemein für das Jahr 146 angenommen, als er 25   Jahre alt war. Unter Leitung seiner neuen Lehrer, darunter der Grieche Apollonios von Chalkedon und die beiden römischen Senatoren
     Iunius Rusticus und Claudius Maximus, lernte er vor allem die Philosophie der Stoiker kennen. Sie war im 4. vorchristlichen
     Jahrhundert von dem Zyprer Zenon begründet worden und nach der »bunten Säulenhalle« in Athen, der »Stoa Poikile«, benannt.
     Die Grundregel der Stoiker lautete: »Lebe einstimmig!« Für ein tugendhaftes und glückliches Leben hieß dies, sich von »unnatürlichen«
     Bestrebungen frei zu machen und ein Leben in Übereinstimmung mit der Natur zu führen.
    Alle Stoiker betonten den Unterschied zwischen dem, was in der Macht des Menschen liegt, und dem »Unverfügbaren«, das dem
     menschlichen Einfluss entzogen bleibt. Marc Aurel fand den Zugang zur stoischen Philosophie durch die Lektüre des Ariston
     von Chius, eines Schülers Zenons, der die Grenze zwischen Verfügbarem undUnverfügbarem besonders eng zog. Ariston erklärte all das, was außerhalb der tugendhaften, vernünftigen Einstellung liegt,
     für gleichgültig. Äußere Ereignisse wie Krankheit, Tod, aber auch Ruhm und Erfolg wurden damit belanglos. Der Mensch sollte
     sie als normalen Teil des Weltlaufs akzeptieren, sich aber nicht von ihnen beeinflussen lassen.
    Wie die meisten antiken Philosophenschulen propagierten die Stoiker das Ideal des Weisen, der Glück und Tugend im Zustand
     des »Seelenfriedens« verwirklicht. Die Stoiker nannten diesen Zustand »apathia«. Das griechische »pathos« ist eng mit dem
     deutschen »pathologisch« verwandt und meint einen unnatürlichen, krankhaften, die psychische Stabilität gefährdenden Affekt.
     »Apathia« bedeutet deshalb »Affektfreiheit«, ein Zustand also, in dem alle destabilisierenden Affekte ausgeschaltet sind und
     der nichts mit gefühlloser Dumpfheit oder radikaler Abtötung von Sinnesregungen zu tun hat. Obwohl die Stoiker wie fast alle
     antiken Philosophenschulen eine »eudämonistische«, also eine Glücksethik vertraten, hatte die frühe stoische Ethik einen strengen,
     zum Teil lustfeindlichen Zug: Im Mittelpunkt stand die Affektausschaltung.
    Dazu verhilft dem Menschen die Einsicht in die Vernunftgemäßheit seines Handelns. Die Losung des Sokrates, »Tugend ist Wissen«,
     war eine Art ethisches Forschungsprogramm, das von den antiken Philosophenschulen inhaltlich ganz unterschiedlich ausgefüllt
     wurde. Die Epikureer, die Schule des Philosophen Epikur, sahen im Gegensatz zu den Stoikern die Tugend in der »hedoné«, der
     »Lust« oder »Freude«, verwirklicht. Bei Licht besehen, wollten jedoch auch sie nichts anderes als ein vernünftiges, maßvolles
     und naturkonformes Leben.
    Aus der Zeit der späten Stoa, die sich ab dem 2. vorchristlichen Jahrhundert ausprägte, erlangten für Marc Aurel besonders
     Epiktet, den er durch Iunius Rusticus kennen lernte, und Panaetios Bedeutung. Vor allem bei dem auf Rhodos lebenden Syrer
     Panaetios, einem der Lehrer Ciceros, wurde der Unterschied zu anderen Philosophenschulen abgemildert. Seine etwas pragmatischere
     Ethik ließ auch materielle Güter und eine »naturgemäße Lust« als Mittel zum Glückgelten und rückte damit in die Nähe der epikureischen Auffassungen.
    Marc Aurel folgte seinem Onkel im Jahr 161 auf den Kaiserthron. Sein Herrschaftsantritt fiel mit einer Zäsur in der Geschichte
     des riesigen Römischen Reiches zusammen. Eine lange Periode der Stabilität und des Friedens endete. Von nun an musste sich
     jeder Kaiser ständig mit Angriffen auf das Reichsgebiet auseinandersetzen. Dies führte dazu, dass Marc Aurel den größten Teil
     seiner Herrscherzeit auf Feldzügen verbrachte, vor allem im Osten und Norden des Reichs – auf dem Gebiet der heutigen Türkei,
     in Syrien und entlang der Donau.
    Auf diesen Feldzügen entstanden in den Abend- und Nachtstunden die
Selbstbetrachtungen
. Hier musste Marc Aurel tatsächlich eine »griechische« Lebensweise praktizieren: in Zelten wohnen, auf Feldbetten schlafen,
     Erschöpfung und körperliche Leiden überwinden. Das zweite Buch der Schrift enthält den Hinweis: »im
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