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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk
Autoren: David Ignatius
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bewirkt hatte. Im Grunde genommen scheute sie sich davor, mit ihrem Anliegen zu einem Kongressabgeordneten zu gehen. Sie kam sich dabei vor wie jemand, der einen Klassenkameraden beim Lehrer verpetzt. Als ihr dann aber klar wurde, dass sich im Fall Barnes nicht das Geringste tat, blieb ihr nichts anderes übrig. Hinkle war offenbar der Meinung, dass sie bluffte. Und so verabredete sie sich schweren Herzens mit dem Vorsitzenden des Senatsausschusses für die Geheimdienste, den sie im vergangenen Sommer bei einer Hochzeitsfeier kennengelernt hatte. Er gab ihr einen Termin für den nächsten Abend um halb sieben, und als sie in sein Büro kam, hatte er sich schon einen großen Whiskey eingeschenkt. Offenbar hatte er sie jünger in Erinnerung, als sie war.
    Am Anfang fiel es Margaret ziemlich schwer, ihm alle Einzelheiten des Anna-Barnes-Falles zu erzählen. Sie war es nicht gewohnt, solche Dinge mit jemandem zu besprechen, der nicht in der CIA war. Sie sagte, dass eine junge Agentin – die noch dazu, wie sich herausstellte, aus dem Wahlkreis des Senators stammte – wegen der Versäumnisse hoher CI A-Beamter in der Sowjetunion im Gefängnis saß. Der Senator nickte. Offenbar kannte er den Fall in groben Zügen, aber nicht im Detail.
    «Ich dachte, Hinkle kümmert sich darum», sagte er.
    «Nein. Er tut überhaupt nichts.»
    «Warum nicht?»
    «Weil er nicht in ein Wespennest stechen will.»
    «Was für Wespen sind denn in dem Nest?», fragte der Senator mit einem verschlagenen Lächeln. Wie so viele seiner Kollegenwar er insgeheim der Meinung, dass eigentlich er ins Weiße Haus gehörte, weshalb er keine Gelegenheit ausließ, der Administration des gegenwärtigen Präsidenten das Leben schwer zu machen.
    Margaret erzählte ihm daraufhin die ganze Geschichte so, wie sie sie sich zusammengereimt hatte. Stones schmutzige Intrigen malte sie dabei derart intensiv aus, dass der Senator am Ende glaubte, die Umrisse einer Verschwörung im innersten Herzen der CIA zu sehen. Deren Initiatoren hatten eine junge Frau – eine seiner Wählerinnen! – skrupellos für ihre finsteren Machenschaften benutzt und ließen sie jetzt, wo die Sache aufgeflogen war, ohne Aussicht auf Hilfe in einem Moskauer KG B-Kerker vor sich hin darben.
    «Versprechen Sie mir eines», bat Margaret, als sie fertig war. «Sie müssen Ihre Untersuchung geheim durchführen – nur innerhalb Ihres Ausschusses. Wenn Sie damit an die Öffentlichkeit gehen, kommt Anna niemals aus dem Gefängnis.»
    Der Senator, der inzwischen stark angetrunken war, legte in einer ritterlichen Geste die rechte Hand aufs Herz und die linke auf Margarets Schulter und versprach ihr hoch und heilig, dass er weder rasten noch ruhen werde, bis Anna Barnes wohlbehalten wieder zu Hause sei.
     
    Eine Woche später bat der CI A-Dienststellenleiter in Moskau seinen Verbindungsmann vom KGB dringend um einen Termin. In New York, so sagte er, habe das FBI soeben einen Sowjetbürger verhaftet, der dort für die Aeroflot arbeitete. Der Mann habe für die Sowjetunion spioniert, und da er keine diplomatische Immunität genieße, werde er wohl vor ein Bundesgericht gestellt werden – außer die Sowjets stimmten einem Gefangenenaustausch zu. Es brauchte gerade mal drei Tage, dann waren dieEinzelheiten ausgehandelt. Die Sowjets waren ganz scharf auf einen Austausch, denn der Fall Barnes war inzwischen auch für sie nur noch eine Belastung.
     
    Anna Barnes kam im Februar 1980 frei, ohne dass die sowjetische Presse davon Notiz nahm. Das amerikanische Außenministerium ließ in einer kurzen Erklärung verlautbaren, dass die U S-Staatsbürgerin – immer noch ohne Namen   –, die seit November wegen angeblicher Grenzverletzung in Russland festgehalten wurde, nun aus der Haft entlassen worden sei. Wegen der Lage im Iran griff die Presse diese Geschichte nicht näher auf, und bis auf einen Absatz in den «World News» der
Washington Post
las man praktisch nichts darüber.
    Anna flog über Frankfurt zurück nach Washington. Von Frankfurt bis Dulles Airport begleitete sie ein CI A-Agent , der sie nach der Landung in ein schäbiges Motel in einem Vorort von Washington brachte, wo man sie abschließend vernehmen wollte. Das Motelzimmer war nur um Nuancen komfortabler als Annas Gefängniszelle in Moskau. Es gab zwar ein Telefon, aber weil Anna annahm, dass es abgehört wurde, rief sie damit niemanden an. Stattdessen ließ sie sich kalorienreiches Essen aufs Zimmer kommen, trank die ganze Minibar leer und
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