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Das Netz

Titel: Das Netz
Autoren: Colin Forbes
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Holzhaus vorbeigingen. Die Fenster in den beiden Stockwerken kamen Paula ziemlich klein vor. Als sie sich Margessons Villa näherten, verschlug es ihr geradezu den Atem. Die Backsteine und sogar die Säulen zu beiden Seiten des Eingangs waren grellgrün gestrichen.
    »Wie geschmacklos!« Sie schüttelte sich. »Wie kann man so eine wunderschöne Villa nur in einem derart hässlichen Grün anmalen?«
    »Scheint ein ziemlicher Exzentriker zu sein, dieser Mr Margesson«, sagte Tweed. Er zog an der Klingelschnur.
    Kaum war das Geläut im Inneren der Villa verklungen, da ging auch schon die Tür auf, und vor ihnen stand ein massiger, über einen Meter achtzig großer Mann mit breiten Schultern und Händen wie Kohlenschaufeln. Sein Kinn versteckte sich hinter einem langen Bart, der ebenso schwarz war wie der dichte Haarschopf auf dem bulligen Kopf. Margesson hatte eine breite, fliehende Stirn, eine klassische Nase, volle, sinnliche Lippen und braune Augen, die halb hinter schweren Lidern verborgen waren.
    Das Seltsamste an dem Mann war jedoch sein wallendes, weißes Gewand, das ihm fast bis an die Fußknöchel reichte und dessen Stehkragen viel zu eng für seinen fleischigen Hals zu sein schien.
    »Was wollen Sie?«, fragte er mit einer Stimme, die Paula auf Anhieb unsympathisch war.
    »Sind Sie Mr Margesson?«
    »Olaf Margesson, das ist korrekt.«
    »Olaf? Das ist aber kein sehr englischer Vorname.«
    »Meine Vorfahren sind vor langer Zeit aus Norwegen eingewandert. Aber Sie sind doch bestimmt nicht hier, um mich das zu fragen. Wer sind Sie überhaupt?«
    »Mein Name ist Tweed, ich bin der stellvertretende Direktor vom SIS«, sagte Tweed und hielt dem Mann seinen Dienstausweis hin. »Die Dame ist meine Assistentin Paula Grey. Wir untersuchen das Verschwinden von Mrs Warner, die seit drei Wochen vermisst wird.«
    »Sie können gern eintreten«, sagte Margesson zu Tweed, »aber die Frau bleibt draußen. Frauen sind Werkzeuge des Satans.«
    »Unsinn«, sagte Tweed. Er nahm Paula an der Hand und führte sie an dem verdutzt dreinblickenden Margesson vorbei in ein geräumiges Wohnzimmer.
    Das Innere des Hauses war ganz anders, als Paula es erwartet hatte. Es nahm in der Höhe zwei ganze Stockwerke ein und hatte eine gewölbte Decke, die Paula an die Cathedral Room genannten Wohnzimmer gewisser Häuser in Amerika erinnerte. An den weiß gestrichenen Wänden hingen orientalische Teppiche mit außergewöhnlichen Mustern.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Margesson und führte sie zu einem massiven, runden Tisch, an dem mehrere Holzstühle standen. Nachdem sie sich gesetzt hatten, funkelte ihr Gastgeber Paula böse an.
    »Ganz schön hart, Ihre Stühle«, sagte sie unbeeindruckt.
    »In meinem Haus gibt es absichtlich keine bequemen Möbel«, sagte er. »Ich bin gegen jegliche Verweichlichung. Sie ist schuld daran, dass unsere Gesellschaft immer mehr im Chaos versinkt.«
    »Im Chaos?«, fragte Tweed aufhorchend.
    »Die heutigen Menschen kennen doch weder Disziplin noch Moral und geben sich nur noch sinnlosen Vergnügungen hin. Eltern machen keine Anstalten mehr, ihrer Nachkommenschaft Zucht und Ordnung beizubringen, und ziehen auf diese Weise eine Generation heran, die uns, falls wir sie nicht rechtzeitig an die Kandare nehmen, noch tiefer in den Sumpf der Entartung treiben wird.«
    »Wenn das, was Sie sagen, stimmt«, sagte Tweed mit freundlicher Stimme, »was könnten wir dann Ihrer Meinung nach dagegen tun?«
    Paula erkannte sofort, dass Tweed dabei war, ihren Gastgeber geschickt aufs Glatteis zu führen. Also machte auch sie ein ernstes Gesicht und tat so, als stimmte sie hundertprozentig mit dem soeben Gehörten überein.
    »Wir müssen die Gesellschaft aufrütteln und sie mit eiserner Faust wieder zurück auf den rechten Weg führen. Nehmen Sie zum Beispiel den Ehebruch, den man heutzutage fast schon als normal ansieht. Meiner Meinung nach müsste eine Frau, die beim Ehebruch erwischt wird, drakonisch bestraft werden.«
    Paula beobachtete ihren Gastgeber genau und sah, wie sich dessen Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Sie hätte schwören können, dass für einen kurzen Augenblick so etwas wie fanatischer Hass in ihnen aufgeblitzt war.
    »Sie fordern also drakonische Strafen für ehebrecherische Frauen«, sagte sie herausfordernd. »Aber was ist eigentlich, wenn Männer fremdgehen?«
    »Auch diese müssen bestraft werden, und zwar, indem man sie öffentlich bloßstellt. Disziplin und Moral sind für mich von
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