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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab
Autoren: Horst Hoffmann
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sein Herz, seine Seele.
    Mythor riß sich von diesen quälenden Gedanken und Fragen los. Er richtete sich kerzengerade auf und schlug verzweifelt mit der Faust gegen die Wände.
    Zu allem Überfluß nahm nun Gerrek seine Zauberflöte aus der Beuteltasche und begann, darauf die bekannten Mißtöne zu blasen.
    »Muß das jetzt sein?« fragte Scida.
    »Ja«, entgegnete der Mandaler trotzig. »Das muß sein! Wenn ich schon nichts anderes tun darf!«
    Mythor hörte nicht hin, obwohl ihm das Gepiepse der Flöte in den Ohren schmerzte. Welch magisches Blendwerk wollte Gerrek nun wieder durchschauen? Aber vermutlich ging es ihm nur darum, etwas zu tun.
    Und auch Mythor war nicht länger bereit, untätig zu warten.
    »Wir müssen hinaus«, knurrte er. »Scida, Kalisse, wir haben nur Aussichten, die Oberfläche zu erreichen, solange es noch Luft genug gibt, mit der wir unsere Lungen füllen können. Wenn ich den Riegel…«
    »Was?« kreischte Gerrek, und es war kaum zu sagen, was nun schlimmer war – sein Flötenspiel oder der Klang seiner Stimme. »Ins Wasser? Ohne mich!«
    »Dann bleib hier!« fuhr Kalisse ihn an. »Was kann man schon von einem Beuteldrachen erwarten, der einmal ein Mann war! Bleib hier, und wir brauchen uns nicht mehr mit dir herumzuärgern.«
    »Ein Mann, jawohl!« konterte Gerrek. »Und was für einer!«
    Kalisse lachte trocken.
    »Ich kann mir vorstellen, was für ein Prachtstück du warst. Sicher würde es viele kleine Gerreks geben, wenn Gaidel dich nicht…«
    Was folgte, waren die mittlerweile sattsam bekannten Zweideutigkeiten und Sticheleien der Amazone.
    »Scida!« rief Mythor.
    Die alternde Kriegerin kam zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    Mythor wollte sich mit ihr und den anderen abstimmen, ihnen sagen, daß sie unter allen Umständen zusammenbleiben mußten, sobald er den Riegel von der Tür genommen hatte.
    Doch er kam nicht dazu.
    Plötzlich bewegte sich die Wand, an der seine Hände lagen. Ein Ruck ging durch die ganze Kammer.
    »Was… ist das?« flüsterte Scida entsetzt. Kalisse verstummte. Gerrek begann vor lauter Schreck, wieder auf der Zauberflöte zu »spielen«.
    Erneut wurde die Kammer, wurde der gesamte Pflanzenstock schwer erschüttert. Und nun drangen dumpfe Geräusche herein, als wäre draußen etwas oder jemand dabei, dem Pflanzenstock mit schweren Gegenständen zu Leibe zu rücken. Dumpfe Schläge hallten in den Ohren der Gefährten. Mythor machte unwillkürlich einen Schritt von der Wand zurück. Er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als der Boden unter seinen Füßen jäh in die Höhe stieg.
    Zu den ruckhaften Bewegungen kamen nun andere, weichere. Mythor ruderte mit den Armen, um sein Gleichgewicht zu halten. Die beiden Amazonen schrien auf. Es gab keinen Zweifel – die Lumenia bewegte sich, neigte sich zur Seite, stieg auf!
    Der Druck in den Ohren ließ etwas nach.
    Und wieder rammte von draußen etwas schwer gegen die Kammerwände.
    »Ein Meeresungeheuer!« flüsterte Scida.
    Ein lautes, langanhaltendes Knirschen, als würde etwas mit ungeheurer Gewalt auseinandergebrochen, beantwortete ihren erstickten Ausruf. Mythor überlief es kalt. Wieder spürte er Scidas Hand auf der Schulter. Obwohl sie zitterte, hatte die Amazone in diesen Augenblicken keinen anderen Gedanken, als ihren Beutesohn von allem Unheil zu schützen.
    Mythor hatte das Gläserne Schwert in der Hand. Er versuchte sich vorzustellen, welche monströse Kreatur sich um den Pflanzenstock gelegt hatte und ihn zu erdrücken suchte. Unwillkürlich mußte er an den riesigen Kraken denken, der lange Zeit den Bewohnern der Insel Somara ein Paradies vorgegaukelt hatte, um sie einen nach dem anderen in den Tod zu locken.
    Dann aber splitterte die Pflanzenwand mitten zwischen der Tür und einem der kleinen Fenster. Zwei scharfe Gegenstände bohrten sich gleichzeitig durch die harten Fasern. Selbst in der Dunkelheit der Kammer, in der nur Alton schwach leuchtete, schimmerten sie wie Schwertspitzen.
    Eine dritte wurde genau dort durch die Wand gestoßen, wo Gerrek hockte. Mit einem lauten Schrei sprang der Mandaler in die Höhe. Sein Flötenspiel verstummte. Mit einer Hand fuhr er sich über den Rücken.
    »Ich bin verwundet!« kreischte er.
    Mythor hörte nicht hin. Was dort in die Wand gestoßen worden war, sah nun eher nach Widerhakenspitzen aus, und sie waren nicht aus Metall, sondern aus Knochen.
    Fischknochen! durchfuhr es Mythor. Der Druck in den Ohren ließ weiter nach. Mythor schluckte
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