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Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
Autoren: Heiko Rolfs
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größeren Wagen aufwies. Hier war sie richtig,
intuitiv wandte sie sich nach rechts und wanderte einfach drauflos. Flecki
meldete sich aus seinem Gefängnis. Aber sie konnte es nicht riskieren, ihn
herumlaufen zu lassen, denn dann hätte er sich sicher aus dem Staub gemacht.
    Bald schon taten Line die Füße weh, die nur in einfachen
Sandalen mit Holzsohle steckten. Sie war es nicht gewöhnt, längere Strecken zu
laufen. Außerdem konnte sie kaum die Hand vor Augen sehen und stolperte ständig
über Wurzeln und andere Unebenheiten. Also versteckte sie sich nahe am Weg im
Wald, um den Morgen abzuwarten. Sie nahm den Kater aus seinem Gefängnis, setzte
sich an einen dicken Baumstamm unter überhängende Blätter und ließ ihn laufen.
Zunächst sehr vorsichtig, dann immer mutiger machte der Kater sich auf Entdeckungsreise
und erkundete die nähere Umgebung. Als er ein Rascheln hörte, sprintete er los
und war im nächsten Moment verschwunden.
    Line rief ihm nach, aber natürlich reagierte er nicht
darauf. Mehrere Stunden wartete das Mädchen mit bangem Herzen auf ihren kleinen
Freund, bis sie an den Baumstamm gelehnt einschlief. 
    Erst gegen Morgen tauchte Flecki wieder auf und sprang wie
selbstverständlich auf ihren Schoß,  wo er sich sofort einrollte und zufrieden
schnurrte.
    Line aß ihren Brotkanten und wollte auch Flecki ein paar
Krümel abgeben, die dieser jedoch verschmähte. Wahrscheinlich hatte er in der
Nacht Beute gemacht. Gern hätte das Mädchen etwas getrunken und sich ein wenig
frisch gemacht, aber es war kein Wasser in der Nähe.
    Bei der ersten Morgendämmerung kroch Line durstig und
schmutzig zwischen den Ästen hervor und trat auf den Weg hinaus. Flecki steckte
wieder in der Tasche und schaute neugierig in die Welt hinaus.
    Line dachte daran, wie die Nonnen im Kloster jetzt zur
Morgenandacht gingen, um danach das gemeinsame Frühstück einzunehmen und den
immer wiederkehrenden, eintönigen Tagesablauf zu durchleben. Sie aber konnte
tun und lassen, was sie wollte, ohne Reglementierungen, ohne Zwänge. Ein nie
gekanntes, ungeheures Gefühl von Freiheit durchströmte das junge Mädchen.
Beinahe wäre sie übermütig über den Sandweg gehopst, aber das würde Flecki
sicher nicht gefallen. Außerdem wurde das Durstgefühl langsam quälend, denn sie
hatte seit dem Vorabend nichts mehr getrunken und jetzt wurde es mit
zunehmender Helligkeit auch rasch wärmer.
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren und sie sah hinter sich
einen Kastenwagen, der gemächlich herangerumpelt kam, gezogen von einem alten
Klepper und gefolgt von einem Bullen, der hinten angebunden war.
    Auf dem Kutschbock saß ein gutmütig aussehender, älterer 
Bauer mit wettergegerbter Haut und stierte vor sich hin. Es sah aus, als wolle
er zum Markt. Line holte tief Luft, fasste sich ein Herz und trat auf den Weg
hinaus. „Wohin des Wegs, guter Mann?“, sprach sie den Mann freundlich und
betont unbekümmert an.
    „Na so was“, der Bauer hielt sein Pferd an und schaute zu
ihr hinunter. „Was machst du denn so früh ganz allein auf der Straße?“, fragte
er verwundert.
    „Ich, ähem, möchte meine Tante in Memmingen besuchen“, log
Line ziemlich unglaubwürdig. Niemand schickte ein junges Mädchen allein auf die
Landstraße. Aber schließlich war sie bereits sechzehn Jahre alt, wenn sie auch
wegen ihrer zierlichen Gestalt jünger aussah.
    Soso“, murmelte der Bauer und machte sich seine Gedanken.
Wahrscheinlich war sie eine ausgerissene Magd. Aber das ging ihn nichts an.
    „Möchtest du lieber auf dem Wagen mitfahren, als den ganzen
Weg zu laufen?“, fragte er nicht unfreundlich, „ich will ebenfalls nach
Memmingen, heute ist nämlich Markttag.“
    Beinahe hätte Line freudig gejuchzt. Das Glück war ihr
offenbar hold. Aber sie beherrschte sich und tat, als müsse sie sich das erst
einmal überlegen. Nach einigem Zögern stimmte sie schließlich zu.
    Flink erklomm sie den Bauernwagen und setzte sich neben dem
Mann auf den hölzernen, ungepolsterten Kutschbock.
    Der Wagen quietschte geräuschvoll, als er wieder anfuhr.
Pech zum Schmieren der Achsen war teuer und nicht jeder konnte es sich
leisten. 
    Eine Weile saß Line still neben dem Bauern und sog alle
Eindrücke in sich auf: die frische Luft, das Singen der Vögel und das satte
Grün der Bäume. Wenn die Bäume sich lichteten, erspähte sie in der Ferne sanfte
Hügel, saftige Wiesen und kleine Dörfer. Es war noch sehr früh am Morgen und
Nebelschwaden zogen über die Felder
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