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Das München-Komplott

Das München-Komplott

Titel: Das München-Komplott
Autoren: Wolfgang Schorlau
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hast du Geburtstag?«
    »Am 23. März.«
    »Na, komm schon. Und in welchem Jahr? Und zu welcher Uhrzeit kamst du auf die Welt?«
    »Ich bin nicht sehr beschlagen in astrologischen Sachen. Aber wir haben hier am Tisch einen Spezialisten …«
    Da traf ihn unter dem Tisch ein mit voller Wucht ausgeführter Tritt. Dengler sah auf und starrte in Martin Kleins wütende Augen. Die Hand hatte er vom Mund genommen, und die Brandblase funkelte. Klein hob einen Finger vor den Mund und schüttelte fast unmerkbar den Kopf.
    Verwirrt wechselte Dengler das Thema.
    »Das war gerade meine alte Behörde. Ich hab zugesagt.«
    »Es geht um einen alten Fall«, fügte er mit Blick auf Bettyhinzu, die ihn irritiert ansah. »Eine Sache von 1980, in der neue Ermittlungen aufgenommen werden sollen.«
    »Bist du etwa Polizist?«, fragte Betty und sah ihn erschrocken an.
    »Polizist? Mehr als ein Polizist! Das ist der berühmte Sherlock Holmes«, rief Mario. »Der Sherlock Holmes von Stuttgart. Und mein Name ist«, er stand auf und machte eine Verbeugung, »Dr. Mario Watson.«
    Alle lachten. Leo goss Wein nach. Nur Martin verzog keine Miene. Die Hand hatte er nun wieder vor den Mund gelegt.
    »Du bist Privatdetektiv?«, sagte Betty, nachdem sie getrunken hatten. »Toll. Ich habe noch nie einen Privatdetektiv kennengelernt. Was macht ihr anderen?«
    »Mario ist Künstler«, sagte Georg Dengler. »Er malt. Und er betreibt ein legendäres Ein-Tafel-Restaurant in seinem Wohnzimmer. Leopold und Martin …«, er zögerte, weil ihn Martin schon wieder so merkwürdig ansah, »… schreiben für die Stuttgarter Zeitungen.«
    »Eine merkwürdige Mischung seid ihr.«
    »Die beste, die man sich vorstellen kann«, sagte Leopold. »Und was machen Sie?«
    »Ich bin in der Modebranche.«
    »Catwalk. Ein Model! Hab ich mir schon gedacht.«
    Betty lachte laut.
    »Nein. Ich entwerfe die Kleider, die die Models vorführen.«
    »Das ist ja auch viel besser«, sagte Klein.
    Nachdem sich Betty Gerlach wenig später verabschiedet hatte, hob Mario erneut sein Glas: »Lasst uns auf die Bekanntschaft dieser schönen Frau trinken.«
    Sie stießen an.
    »Ich glaube«, sagte Mario, »einer von uns hat sich heute Abend in sie verliebt.«
    »So ein Quatsch«, sagte Martin Klein.

Allein
    Natürlich war es undenkbar gewesen, dass sie, die Enkelin des berühmten schwäbischen Widerstandskämpfers, eine Schulklasse wiederholen musste. Eher schicken wir das Kind nach Salem, sagte die Großmutter. Die Mutter schien eine Ehrenrunde im Gymnasium nicht so schlimm zu finden. Charlottes Noten sanken rapide, als die Hormone zu revoltieren begannen, und ihre Leistungen am Uhland-Gymnasium in Tübingen waren so schwach, dass jede andere Schülerin wohl nicht zu retten gewesen wäre.
    Der Rektor befürchtete jedoch eine schlechte Presse, und das feine Netz aus verständnisvollen, nachsichtigen Lehrern und teuren Nachhilfelehrern sowie die ständigen Appelle an Haltung und Familienehre bewirkten, dass sie die Versetzung jedes Mal schaffte. Mit Beginn der Oberstufe war die kritische Phase überwunden: Charlotte mauserte sich zu einer guten, teilweise sogar herausragenden Schülerin und bestand das Abitur mit einer Durchschnittsnote, die es ihr erlaubte, sich in Tübingen für Jura einzuschreiben.
    Schon ein paar Jahre zuvor hatte ihre Mutter sie beim Hockeyclub und in der Jungen Union angemeldet. Allein im Hockeyspiel riss der unsichtbare Schutzschild des Großvaters. Es war ein robustes Spiel, und manchmal kam es ihr so vor, als sei sie gerade wegen ihres Großvaters bevorzugtes Ziel von Hieben mit dem Ellbogen oder manch übertriebenem bodycheck geworden. Trotzdem: Im Spiel spielte ihr Name und ihr Herkommen keine entscheidende Rolle. Da kam es darauf an, dass sie den Ball ins gegnerische Tor brachte oder ihn sich zumindest nicht von einem Gegenspieler abnehmen ließ. Sie liebte dieses Spiel. Sie trainierte. Ausdauertraining. Krafttraining. Lauftraining. Sie wurde eine recht passable Mittelfeldspielerin, und auf wenige Dinge war sie so stolz wie auf ihre Schnelligkeit und die präzisen Ballabgaben.
    In der Jungen Union trug sie Großvaters Name von allein nach oben. Sie wurde in den Ortsvorstand berufen, kaum war sie ein halbes Jahr dabei. Sie merkte schnell, dass man sich mit ihr schmückte. Man war dezent: Zu den schlimmen Besäufnissen, den Bordellbesuchen im Stuttgarter Rotlichtviertel nahm man sie nicht mit. Großvater schützte sie davor, aber seine Aura isolierte sie auch, machte
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