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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens
Autoren: Val McDermid
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spülen, aber Matthew fand, eine höhere Stellung müsse doch ein paar Vorteile bieten, und ließ daher seit seiner Beförderung zum Schulleiter sein schmutziges Geschirr stehen, damit sich irgendjemand anders darum kümmerte. Außerdem hatte er schließlich Wichtigeres zu tun. Bisher hatte niemand seine Überheblichkeit kritisiert, obwohl er Marcia Porters missbilligende Blicke schon mehr als einmal bemerkt hatte. Aber Marcia hatte nun mal ihre Chance verpasst. Als er es an ihr vorbei in die höchste Position geschafft hatte, gab sie den Versuch auf, die Welt nach ihren Wünschen zu formen. Es war, als hätte sie aufgegeben. Was Matthew tat, mochte ihr zwar nicht gefallen, aber sie versuchte nicht, ihn herauszufordern. Es war nicht so wie vorher, als sie sich theoretisch gleichberechtigt gegenüberstanden, abgesehen davon, dass sie ständig ihr höheres Dienstalter betonte. Dieser Tage machte sie einen möglichst großen Bogen um ihn, so weit das in einer Dorfschule mit fünf Lehrern und vier Helferinnen möglich war. Helferinnen. Das war ein Witz. Mütter, die Zeit hatten und dem irrigen Glauben anhingen, einfach dadurch, dass sie ein Kind zur Welt gebracht hatten, das Insiderwissen zu besitzen, wie man Kinder erzieht. Aber sie waren noch in der Zeit vor der Einführung der Standardtests und des landesweit gültigen Lehrplans zur Schule gegangen und hatten keinen blassen Schimmer von den hohen Anforderungen, mit denen echte Lehrer wie er täglich leben mussten. Matthew versäumte keine Gelegenheit, sie daran zu erinnern, wie sehr sich die Welt verändert hatte. Die wichtigste Folge dieser Ermahnungen war, dass sie genauso wie seine anderen Mitarbeiter so wenig Zeit wie möglich im Lehrerzimmer herumsaßen. Dies war Matthew recht, denn sein Büro genügte seiner Meinung nach kaum seinen eigenen Bedürfnissen. Er arbeitete viel lieber im Lehrerzimmer, wo er sich einen Kaffee machen konnte, wann immer er Lust hatte. Er musste sich leicht bücken, um in den Spiegel über dem Spülbecken zu sehen, der so aufgehängt war, dass er besser für Lehrerinnen als für Rektoren passte, die über einen Meter achtzig groß waren. Dunkelblaue Augen sahen ihn aus einem Gesicht mit etwas dunklerem Teint, als hier üblich war, an. Dieses Erbe seines Großvaters aus Cornwall hatten Matthew und Jane von ihrer Mutter. Er fuhr sich durch die dunklen ungebärdigen Locken, die er von der anderen Seite der Familie geerbt hatte. An seiner Schwester sahen sie toll aus, aber ihm gaben sie einfach das Gefühl, eine billige Imitation von Harpo Marx zu sein. Er lächelte ironisch und dachte an den Unterricht, den er gleich in den beiden obersten Klassen halten würde. Genealogie und Genetik, deren gewundene Bahnen zusammengehörten wie die Doppelspirale der DNA, einschließlich der Abweichungen, die zu allen möglichen unvorhergesehenen Folgen führen konnten. An seiner Abstammung konnte es keinen Zweifel geben, auch nicht an der Verwandtschaft mit seiner Schwester. Ihr Vater hatte die gleichen Korkenzieherlocken wie der Großvater vor ihm.
    Die Glocke rief zum Nachmittagsunterricht, und Matthew verließ eilig das Lehrerzimmer. Als er sich dem Klassenzimmer näherte, hörte er leises Murmeln, das verstummte, als die fünfzehn Kinder ihn auf der Türschwelle sahen. Das war einer der Vorteile kleiner Dorfschulen, dachte Matthew. Sie lernten zusammen mit den Inhalten des nationalen Lehrplans auch noch Manieren. Er beneidete die armen Kerle nicht, die die Kinder aus der Siedlung unterrichten mussten, wo Jane wohnte. »Guten Tag, Kinder«, sagte er, während er mit seinen langen Beinen schnell den kurzen Weg zum Tisch zurücklegte.
    »Guten Tag, Mr. Gresham«, erwiderte der holprige Chor der Schüler.
    Er öffnete seinen Laptop und drückte auf eine Taste, um ihn aus dem Wartemodus zu holen. Sogleich erschien auf dem Whiteboard hinter ihm das Abbild des Bildschirms mit der Überschrift Stammbäume. Matthew saß auf der Ecke des Tischs, von wo er die Tastatur leicht bedienen konnte. »Heute fangen wir ein wichtiges neues Projekt an, das wir auch bei der Weihnachtsfeier zeigen werden. Also, wir alle haben Vorfahren. Wer kann mir sagen, was ein Vorfahr ist?« Ein kleiner Junge mit einem dichten Schopf schwarzer Haare und dem Gesicht eines kleinen Klammeraffen stieß den Finger in die Luft. Vor lauter Eifer rutschte er auf seinem Stuhl herum.
    »Sam?«, sagte Matthew und bemühte sich, nicht genervt zu klingen. Immer war es Sam Clewlow.
    »Es ist unsere
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