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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens
Autoren: Val McDermid
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hatte Michael Nymans CD The End of an Affair aufgelegt, und der Klang der Streicher schien fast sichtbar in der Stille zu strahlen. In zwanzig Minuten, wenn die Großstädter hereindrängten und in ihrer kurzen Pause schnell so viel wie möglich zu essen und zu trinken versuchten, würde die Viking Bar sich verwandeln. Es würde laut hergehen, die Luft vom Rauch und den vielen Menschen verbraucht sein, und Jane würde keine Sekunde Zeit haben, an etwas anderes zu denken als an die Gäste, die sich an der Bar drängten. Aber im Moment war es noch friedlich. Harry Lambton stand mit aufgestützten Armen am einen Ende der langen bogenförmigen Theke aus Birkenholz und überflog die Zeitung. Das Licht schimmerte auf dem Kranz seiner kurzen, steil hochstehenden blonden Haare und ließ ihn wie einen postmodernen Heiligen aussehen. Als er Janes Schritte auf dem Holzboden hörte, sah er auf und winkte ihr einen kurzen Gruß zu, während ein Lächeln sein scharf geschnittenes, schmales Gesicht belebte. »Regnet's noch?«, fragte er. »Ja, regnet noch.« Jane beugte sich zu ihm und küsste ihn auf die Wange, als sie an ihm vorbei in die kleine Kammer ging, wo das Personal seine Mäntel aufhängte. »Sind alle da?«, fragte sie, als sie in die Bar zurückkam, während sie ihre langen dunklen Korkenzieherlocken mit einem Haargummi zusammenband.
    Harry nickte. Gott sei Dank, dachte Jane, schlüpfte an seinem muskulösen Rücken vorbei und vergewisserte sich, dass alles da stand, wo sie es brauchte, damit ihre Schicht so problemlos wie möglich verlaufen würde. Sie hatte diese Stelle bekommen, weil Harrys Freund Dan ein Bekannter und ein Kollege von ihr an der Uni war, aber sie wollte nicht, dass man ihr vorwerfen würde, sie nutze diese Beziehung aus. Außerdem behauptete Harry, dass er das Lokal nur vorübergehend führe. Eines Tages werde er vielleicht wirklich aus seinem Leben das machen, was er eigentlich vorhatte, und Jane wollte ihren Kollegen keine Gelegenheit geben, sie bei ihrem neuen Chef als faul oder unfähig anzuschwärzen. Die Arbeit in der Viking Bar war anstrengend, ermüdend und wurde schlecht bezahlt, aber sie brauchte sie. »Ich hab endlich einen Titel gefunden«, sagte sie, während sie sich eine lange weiße Kellnerschürze umband. »Für das Buch.« Harry neigte fragend den Kopf zur Seite. Der große Dichter und sein Image. Politik, Poetik und Anspruch in 'William Wordsworths Werken. Was hältst du davon?« Harry runzelte die Stirn und überlegte. »Gefällt mir«, sagte er. »Da klingt der alte Langweiler sogar halbwegs interessant.«
    »Interessant ist gut, das verkauft sich.« Harry nickte, blätterte um und ließ den Blick über die Seite schweifen. Dann wurden seine dunkelblauen Augen schmal und zwischen seinen hellbraunen Augenbrauen entstand eine Falte. »He«, sagte er. »Fellhead, ist das nicht der Ort, wo du herkommst?«
    Mit einem Glas Oliven in der Hand drehte Jane sich um. »Stimmt. Sag bloß, da hat endlich mal jemand was getan, das in die Nachrichten gekommen ist?« Er zog die Augenbrauen hoch. »Das könnte man wohl sagen. Eine Leiche wurde gefunden.«

 
     
     
    Heute Abend wurde ich an unsere Zeit in Moxden erinnert, wo auf Coleridge und mich der Verdacht fiel, wir seien Agenten des Feindes und sammelten als Spione Informationen für Bonaparte. Ich habe Coleridges Erklärung noch in Erinnerung, dass es gegen den gesunden Menschenverstand verstieße, zu meinen, Dichter eigneten sich für ein solches Unterfangen, da wir doch alles als Material für unsere Verse ansehen und keine Neigung dazu hätten, Geheimnisse, die unserer Berufung dienen könnten, in der Brust zu verschließen. Er hatte in diesem wichtigen Punkt Recht, dass die«Ereignisse des heutigen Tages mich bewegen und nach einem Ausdruck in Versen suchen, aber im Hinblick auf die weit wichtigere Tatsache, dass wir unsere Meinung nicht für uns behalten können, hat er, glaube ich, Unrecht, denn meine Begegnung in unserem abgeschiedenen Garten hat mir bereits eine schwere Wissenslast auferlegt, eine Last, die mir und meiner Familie noch sehr beschwerlich werden könnte. Zuerst wähnte ich zu träumen, denn ich glaube nicht an Erscheinungen der Toten als Geister, überdies war kein Geist. Es war ein Mann aus Fleisch und Blut, ein Mann, den ich niemals wiederzusehen geglaubt hätte.

2
    Matthew Gresham trank den letzten Schluck Kaffee und stellte seinen Becher in die Spüle. Alle vom Lehrkörper sollten eigentlich ihre Tassen selbst
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