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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)
Autoren: Christian Biesenbach
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Harry.
    „Ich weiß. Weiß das. Ist der einzig mögliche Weg. Sollte jetzt lieber gehen“, antwortete Sem, aber im gleichen Augenblick gab rechts neben ihnen die Decke nach. Auf der gesamten Länge brach sie herunter und versperrte plötzlich den Durchgang. Es wäre der schnellste Weg zum Büro gewesen. Jetzt blieb nur noch der lange Weg außen herum. Harry wandte sich in die andere Richtung, doch der Fußboden zitterte. Ein paar Meter entfernt zerbrachen die Dielen. Ein tiefer Riss zog sich quer über den Fußboden, dehnte sich schnell aus und zog weitere Risse über die gesamte Breite des Raumes nach sich. Zerborstene Fußbodenteile brachen Stück für Stück weg und verschwanden mit ohrenbetäubendem Krachen in einer Düsternis, die sich unter dem Fußboden auftat. Sekunden später klaffte ein riesiges Loch in der Mitte des Raumes. Das Gebäude erzitterte in seinen Grundfesten. Eine Reihe in der Nähe stehender Barhocker geriet in Bewegung, rutschte über die Planken und fiel in die Tiefe.
    Harry war hin- und hergerissen. Das war der einzige verbleibende Weg, andererseits war es Selbstmord, es darüber zu versuchen. Ein falscher Schritt bedeutete den unweigerlichen Absturz.
    „Nein! Nein! Nein!“, rief er verzweifelt, denn er wusste, dass sie damit endgültig in der Falle saßen. 
    Die Flügel der verschlossenen Küchentür ächzten. Das Gebäude geriet abermals in Bewegung. Millimeter um Millimeter verschoben sich die Wände.
    Sem stand neben Harry und brabbelte vor sich hin.
    „Nicht hier bleiben. Nein, nicht.“
    „Wir müssen es nochmal versuchen!“, schrie Harry und warf sich gegen die Flügeltür. Er würde nicht wieder abwarten, bis es zu spät war.
    Am heutigen Abend ist zu viel Scheiße passiert, um jetzt an zwei handgearbeiteten Mahagoni-Flügeln zu scheitern, entschied er und spornte sich damit zusätzlich an.
    Wieder und wieder versuchte er es. Sem stand teilnahmslos daneben. Er redete mit sich selbst.
    Die Tür gab nicht nach, obwohl Harry alles versuchte. Verzweifelt schaute er sich um.
    Es gibt keinen anderen Weg. Es sei denn…
    Die abgebrochene Decke lag wie eine steile Rampe neben ihnen. Das Holz war nass und morsch, aber vielleicht würde es sie tragen. Wenn sie die Schräge erklimmen konnten, fanden sie höchstwahrscheinlich über das Flachdach einen Weg in die Küche. Harry musterte die glitschigen Deckenreste. Es schien aussichtslos und doch half es nichts. Sie mussten es auf jeden Fall versuchen.
    „Nicht hier bleiben. Nein, nicht. Muss hier weg. Muss raus. DU musst bleiben, Harry! Wirst der Wächter. Bleibst für mich“, zischte Sem immer wieder und es wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. Der Mann verlor zunehmend den Verstand. Harry schob dieses Verhalten auf den Schock und die extreme Situation. Abgesehen davon, hatte er einfach keine Zeit auf dieses zusammenhanglose Geschwafel einzugehen.
    „Wir müssen da hoch“, versuchte er dem völlig neben sich stehenden Sem zu erklären.
    „Wenn wir es auf‘s Dach schaffen, finden wir vielleicht einen Weg.“
    „Muss raus. Muss raus!“, zischte Sem nur.
    Harry war sich nicht sicher, ob Sem überhaupt noch irgendetwas verstand.
    „Wir müssen beide hier raus“, versuchte Harry Sem zu beruhigen. „Komm jetzt mit! Alles wird gut.“
    „NEIN!“, kreischte Sem wie von Sinnen.
    Harry kam nicht mehr dazu etwas zu entgegnen. Mit einem Schritt, der Harry völlig überrumpelte, war Sem bei ihm, griff mit dem gesunden Arm an dessen Hals und drückte ihn mit aller Kraft gegen das unversehrte Stück Wand neben der Flügeltür.
    „Musst bleiben, Harry!“, brüllte Sem mit fester Stimme. „Musst bleiben!“
    Sein Griff um Harrys Hals verstärkte sich bei diesen Worten mehr und mehr. Sem schien von jetzt auf gleich die körperliche Schwäche abgelegt und seine ursprüngliche Kraft wiedergefunden zu haben. Wie eine todbringende Schraubzwinge zogen sich die knochigen Finger immer enger und fester um Harrys Luftröhre.
    Bevor Harry richtig kapiert hatte, in welcher Situation er sich mit einem Mal befand und wie gefährlich das für ihn werden konnte, war es bereits zu spät…
    Der dicke Touristenführer bekam keine Luft mehr. Völlig hilflos ruderte er mit den Armen und zappelte. Aber egal was er tat, er vermochte nichts gegen Sems Finger an seinem Hals zu unternehmen. 
    Der hinterhältige Mistkerl hatte ihn wieder völlig in der Hand. Gott, was war Harry nur für ein Hornochse gewesen.
    Die Einsicht kam zu spät. Vor seinen Augen
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