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Das Midas-Kartell

Das Midas-Kartell

Titel: Das Midas-Kartell
Autoren: Simon Mockler
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ermittelt worden; am Ende war er wegen Hehlerei und schwerer Körperverletzung angeklagt worden, doch beide Verfahren waren eingestellt worden, nachdem die Zeugen verschwunden waren. Markus war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten: die gleichen scharfen Augen, hohe Wangenknochen und eigentümlich abwärts gebogene Mundwinkel, die ihm stets den Anschein gaben, als hätte er sein Gesicht zu einer höhnischen Grimasse verzogen.
    Â»Mein Vater«, sagte Markus. »Ivan Cartright war mein Vater.«
    Der Polizist hob seine schwere Hand und kratzte sich an der Wange. Dann drehte er sich um und spuckte einen Schleimklumpen neben Markus’ Schuh auf die Straße.
    Â»Verstehe«, erwiderte er. »Dann haben Sie jetzt seine Geschäfte übernommen?«
    Â»Die gibt es nicht mehr. Ich habe seine Betriebe nach seinem Tod geschlossen. Ich bin Journalist, Fotojournalist.«
    Der Polizist sah ihn ungläubig an. Genauso hätte er ihm erzählen können, er hätte sich den Pfadfinderinnen angeschlossen.
    Â»War es schlimm?«
    Â»Was?«
    Â»Sein Tod.«
    Markus zuckte die Achseln. »Ich bezweifle, dass er überhaupt viel davon mitbekommen hat.«
    Â»Ein Jammer«, seufzte der Polizist. »Ihre Personalien bitte.«
    Markus musste einen Augenblick nachdenken, ehe er sagen konnte, wo er wohnte. Es war ungewohnt, sein Fotostudio in Brixton als Heimatadresse zu nennen – andererseits lebte er seit zwei Wochen wirklich dort. Er konnte sein Zeug da am besten unterbringen; das meiste stapelte sich in Kartons zwischen der Studioausrüstung und leeren Fastfood-Behältern.
    Â»Kann ich jetzt gehen?«
    Der Polizist war unentschlossen. Der Ton dieses Typs gefiel ihm nicht. Ebenso wie der Ausdruck auf seinem Gesicht. Die gleiche Arroganz, die gleiche Mir-kann-niemand-was-anhaben-Mentalität wie bei dem Alten. Wenn er vorher gewusst hätte, wer der Kerl war, hätte er ihn gleich einkassiert, in eine Zelle gesteckt und ein paar Kollegen gebeten, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Die Ähnlichkeit war frappierend. Und jeder kannte die Gerüchte über den alten Cartright. Was er mit Leuten gemacht hatte, die ihm in die Quere gekommen waren.
    Er zog eine Grimasse. »Machen Sie schon, dass Sie wegkommen«, sagte er schließlich widerstrebend.
    Markus wandte sich ab und steuerte auf die King’s Road zu. Es war vierzehn Jahre her, dass sein Vater im eigenen Pool ertrunken war, und doch machte es Markus jedes Mal fertig, wenn er daran dachte. Ivan Cartright war gut darin gewesen, andere fertigzumachen, er hatte geradezu ein besonderes Talent dafür gehabt, und das war ihm beim Aufbau seines Klub-Imperiums in Soho – Spielhöllen, Striplokale, ein bisschen Schutzgelderpressung nebenbei – äußerst nützlich gewesen. Nicht schlecht für den kleinen Rotzlöffel aus der Tschechoslowakei, was? , pflegte er mit einem Glitzern in den Augen zu sagen, wenn er Gästen sein Haus in Hampstead zeigte. Das Haus hatte er zu derselben Zeit gekauft, als er seinen Namen änderte: von Javanovic in Cartright. Mit einem englisch klingenden Nachnamen ließen sich im London der Siebzigerjahre wesentlich einfacher Geschäfte machen.
    Markus sah sich nach einem Taxi um. Einerseits hätte er am liebsten das Werk vollendet, das er mit der halben Flasche Whisky begonnen hatte, und sich einen Vollrausch angesoffen. Halb betrunken zu sein war irgendwie Zeitverschwendung. Es war wie das schlechte Remake eines alten Filmklassikers – die gleiche Story, aber die falsche Atmosphäre. Andererseits war er immer noch so erbost über den Anblick von Natalie und ihrem neuen Kerl, dass er am liebsten Löcher in eine Steinmauer gehackt hätte. Er winkte ein Taxi heran, das auf der Straße wendete. Die hellen Lichter der Cafés und Bars malten Muster wie aus flüssigem Neon auf die schwarzen Hochglanztüren.
    Â»Wohin?« Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster.
    Â»Eastend, Southampton Row 115.«

5
    Markus stützte sich mit geschlossenen Augen auf die Ellbogen. Schon zum zweiten Mal an diesem Abend lag er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Nur dass diesmal kein Polizist über ihm war, der ihm das Knie in den Rücken stemmte, sondern jemand, der ihn auszählte. Drei, vier, fünf . Er schüttelte den Kopf, und Schweiß spritzte auf den Ringboden. Sechs, sieben . Noch gab er sich nicht geschlagen. Als er sich aufrichtete,
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