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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen
Autoren: Kathi Appelt
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draußen hereingekommen. Er hatte eine große Blechwanne dabeigehabt. Mirja wusste, dass in dieser Wanne einige ziemlich wütende Krabben schwammen. Signe dickte bereits die Soße für das Gumbo an. Mirja ging zur Wanne, um die Krabben zu zählen. Plötzlich bekam sie eine Gänsehaut.
    „H…h…hallo, du Schlafmütze“, sagte Dogie und zwinkerte ihr zu.
    „Hallo, du“, sagte Mirja, vergaß die Gänsehaut und zwinkerte zurück.
    Heute war der große Tag! Endlich! In wenigen Stunden würde die Nacht anbrechen, auf die sie den ganzen Sommer lang gewartet hatte. Die Nacht des blauen Mondes. Die Gumbo-Nacht. Die Nacht, in der Mr Beau-champs Kaktus blühen würde. Die Nacht, in der das Beste von allem geschehen würde. Dogie würde endlich das Lied mit den zwei Worten für Signe singen. Den ganzen Sommer lang hatte er auf seiner Ukulele geübt: „Heirate mich!“
    Mirja hatte ihm gelauscht, wenn sie die Surfbretter wachste und Signe nicht in der Nähe war. „Heirate mich!“ Dogie hatte es wieder und wieder gesungen und kein einziges Mal dabei gestottert.
    An diesem Morgen kam Mirja ein Gedanke: Würde Signe Ja sagen? Das wusste nur der Himmel, aber Mirja hoffte es. Oh ja, sie hoffte es inständig.
    Denn dann wäre Dogie noch mehr wie ein Vater für sie als jetzt schon, oder nicht? Mirja wäre beinahe mit dieser Frage herausgeplatzt, hier und jetzt. Schnell schlug sie die Hände vor den Mund. Sie musste sich sehr anstrengen, um nicht vor Vorfreude zu quietschen. Sie schenkte ihm ein mächtig frohes Lächeln und zeigte ihm verstohlen ihre gedrückten Daumen.
    Mirja kannte Dogie, seit sie geboren worden war. Geboren im Wasser.
    „W…w…wie ein D…D…Delfin“, hatte er ihr erzählt.
    Zwei, Dogies kleiner Welpe, stellte sich auf die Hinterbeine und vollführte einen lustigen kleinen Tanz. Mirja bückte sich und kraulte seinen gefleckten Kopf.
    „H…h…hab noch ein p…paar Bretter, d…d…die gewachst w…werden müssen“, sagte Dogie zu ihr.
    Mirja lächelte noch mehr. Das waren mindestens zwei weitere Dollar für ihre Geldbörse. Und damit würde sie heute Abend mindestens vierundvierzig Dollar besitzen. Ein Vermögen! Was für ein Glückstag!
    Dogie nahm den kleinen Zwei auf den Arm und öffnete die Tür. „M…muss los“, sagte er. Er schaute zu Signe, die ihr Gesicht von dem dampfenden Topf weg und ihm zuwandte. Dann lächelte sie ihn an.
    „Adios“, sagte Signe und krümelte Gewürze in den Topf.
    Mirja sah, wie Dogies Augen an Signe hingen, während er hinaus auf die Veranda trat. „H…heute ist die N…N…Nacht des blauen M…Mondes“, sagte er und schloss die Tür.
    Mirja wollte ihm nachlaufen und ihn anflehen, sein Lied jetzt zu singen. Sie hatte keine Lust, bis zum Abend zu warten!
    Sie lauschte auf seine schweren Schritte auf den Holzstufen. Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei … Stille. Es waren zehn Stufen. Würde er umkehren? Vielleicht hatte auch er keine Lust, noch den ganzen Tag zu warten.
    Mirja biss sich auf die Zunge.
    Eins.
    Da war sie, die letzte Stufe. Mist. Dogie war weg. Aber Mirja war trotzdem froh.
    6 Mirja lächelte immer noch, als sie zum Herd ging und sich neben Signe stellte, die das dampfende Gumbo rührte. Der Duft zog durch die ganze Küche. Mirja dachte, dass sie gar keinen Löffel brauchte, um das würzige Gericht zu kosten. Sie müsste nur die Zunge herausstrecken. Zwiebeln, Knoblauch, Speck und ein geheimnisvolles Gewürz, das Filé hieß.
    „Es wird aus den Blättern des Sassafrasbaums gemacht“, erklärte ihr Signe, während sie die Okraschoten und die Tomaten klein schnitt, die sie gestern auf dem Markt gekauft hatte.
    Mirja liebte, liebte, liebte diesen Duft. „Es riecht so lecker“, sagte sie. Der würzige Geruch legte sich auf ihre Haut.
    Der Topf würde den ganzen Tag lang auf dem Herd stehen und sanft köcheln. Erst im letzten Moment, ehe das Gericht serviert wurde, würde Signe die Krabben in kochendes Wasser werfen, eine nach der anderen, und dann dem Gumbo zugeben.
    Frische Krabben.
    Vor wenigen Stunden in Dogies Netz gefangen.
    Blaue Krabben.
    Leckere Krabben.
    In diesem Augenblick sah Mirja die Krabben zum ersten Mal richtig an. Sie konnte hören, wie sie hektisch und nervös mit den Scheren klapperten. Aber als sie sich niederhockte und sie aus der Nähe betrachtete, wurden sie ganz still. Plötzlich fiel Mirja das zarte Muster auf ihrem Panzer auf. Sie betrachtete die vollkommen symmetrischen herzförmigen Rücken und die
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