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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz
Autoren: Dru Pagliassotti
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Metalle und Waren zu produzieren, die Ondinium, die Hauptstadt Yeovils, am Leben hielten. Tertius – dort war Taya zur Welt gekommen, und dort wollte in Kürze ihre Schwester Hochzeit feiern.
    Um den gesamten Berg, auf dem Ondinium stand, zogen sich dicke Steinmauern, die die einzelnen Sektoren der Stadt voneinander trennten: Primus, der Sektor, in dem die Erhabenen lebten, Secundus, Heimat der Kardinäle, und das Tertius der Plebejer. Undurchlässig waren diese Mauern nicht, es gab in regelmäßigen Abständen Tore, die auch offenstanden. Nur wurde jedes dieser Tore von strengen Liktoren bewacht, deren Aufgabe es war, eine ungehemmte Vermischung der einzelnen Kasten zu unterbinden.
    Lediglich Ikarier wie Taya und höhergestellte Persönlichkeiten, denen die über den Straßen der Stadt an Drahtseilen verkehrenden Kabinen der Drahtfähre zur Verfügung standen, reisten ungehindert von einem Sektor zum anderen. Allerdings wurden selbst die Passagiere der Drahtfähren auf den Zwischenstationen kontrolliert, sobald sie umstiegen, besonders, wenn sie den Sektor Primus passierten.
    Mit zusammengekniffenen Augen suchte Taya die in regelmäßigen Abständen aus den Sektorenmauern ragenden rußgeschwärzten Türme nach einer Uhr ab.
    Sie lächelte, als sie eine entdeckt hatte: Nur noch eine knappe Stunde, dann durfte sie heimgehen und sich auf die Hochzeit vorbereiten. Vielleicht schaffte sie es sogar, sich im Oporphyrturm, wo sie einen Bericht aus der Hochschule für Mathematik abzuliefern hatte, so lange aufzuhalten, dass man ihr danach keinen weiteren Flug mehr aufs Auge drücken konnte. Solange ihr der Dekatur, an den der Bericht ging, keinen neuen Auftrag mitgab, blieb ihr bis zum Fest noch genug Zeit.
    Das Metall unter ihren Füßen bebte und zitterte, und Taya griff unwillkürlich nach der Verstrebung, die neben ihr aufragte. Gut, dass ihre Hand in einem dicken Handschuh steckte – das Metall war sicher eiskalt. Normalerweise liebte Taya das Fliegen, aber die Windböen heute waren wirklich die schlimmsten, die sie seit ...
    Erneut ging ein heftiger Ruck durch den Träger, begleitet vom hohen, spitzen Schrei eines bis zum Zerreißen gespannten Metallkabels. Das Geräusch war so laut, dass es selbst den tosenden Wind und das frenetische Summen der Kabel übertönte. Aufgeschreckt hob Taya den Kopf.
    Da! Nicht weit von ihr entfernt schien einer der Träger der Drahtfähre in der Luft zu hängen, bog sich gefährlich unter der Last einer näherkommenden Gondel. Zahnräder knirschten, drehten sich wie wild, Metallkabel lockerten sich, rutschen aus den Halterungen, während sich der Träger immer weiter neigte.
    Taya sprang auf, wobei sie sich prompt den Kopf an einer niedrigen Metallstrebe stieß. Sie sah sich um. Erkannte denn niemand außer ihr die Gefahr?
    Doch! Auch die für die Drahtfähre zuständigen Arbeiter einer nahe gelegenen Station waren von dem lauten Kreischen des reißenden Metalls alarmiert worden und kamen herbeigerannt, waren aber viel zu weit entfernt, um den Menschen in der gefährdeten Kabine beistehen zu können.
    Die Menschen in der Kabine!
    „Oh, Herrin“, ächzte Taya, löste hastig ihre Sicherheitsleine und stopfte sie zurück in ihr Geschirr. In ihrem Kopf schrie der rationale Teil ihres Hirns laute Warnungen, flehte sie an, sich nicht in ein waghalsiges Flugabenteuer zwischen fallenden Türmen und reißenden Kabeln zu stürzen – während ein anderer Teil bereits tief aus den hintersten Windungen ihres Gedächtnisses die Erinnerung an die Luftrettungsmanöver ihrer Ausbildungszeit hervorkramte, Windrichtung, Höhe des anvisierten Ziels und den optimalen Anflugwinkel berechnete und überlegte, welche Last ihr Fluggeschirr aus Ondium zusätzlich zu Tayas eigenem Gewicht noch verkraftete.
    Mit wild klopfendem Herzen schob Taya die Arme in die Flügelhalterungen und ging erneut in die Hocke.
    Es musste sein. Schon zog ihr Geschirr sie empor, zum Abheben bereit. Ondium, leichter als Luft, wollte heben und tragen, zerrte am Gewicht von Tayas geschmeidigem, kompakten Leib. Taya rutschte herum, bis sie den Kopf in den Wind halten konnte, und warf sich in die Luft, stieß sich mit den Stiefeln am Träger ab, um zusätzlichen Schwung zu bekommen.
    Metallverstrebungen schossen an ihr vorbei. Erst als sie die Stützkonstruktion hinter sich gelassen hatte, konnte sie die Arme weit ausbreiten, die Metallflügel zur vollen Breite spreizen und einhaken.
    Sie senkte die Arme. Breite Ondiumfedern schlossen
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