Das Maedchen von Atlantis
unter seinen Worten, aber
seine Kampfeslust war keineswegs gestillt. »Doch«,
antwortete er patzig. »Zum Beispiel darüber nachzudenken, wieso uns ein Schiff beschießt, dessen Besatzung gar nicht wissen kann, daß wir hier sind. Das
war ja fast so, als hätten sie auf uns gewartet!«
André seufzte. »Jetzt kommt wieder die Verrätertheorie«, murmelte er. »Wen von uns willst du denn diesmal verdächtigen?«
»Schluß damit!« fuhr Trautman dazwischen.
Seiner
Stimme war anzuhören, daß er nahe daran war, die
Geduld zu verlieren. Aber Mike mußte zugeben, daß
Ben nicht ganz Unrecht hatte. Es war wirklich fast,
als hätte Winterfeld gewußt, daß sie kamen.
Singhs Überlegungen gingen offensichtlich in die gleiche Richtung, und anders als Mike sprach er seine
Gedanken laut aus: »Der Junge hat recht, selbst wenn
sie gewußt haben, daß wir sie suchen - wie konnten
sie uns überhaupt sehen? Wir sind Meilen von der
LEOPOLD entfernt.«
»Das wüßte ich auch gern«, murmelte Trautman. Sein
Gesicht war voll Sorge - aber da war etwas in seinen
Augen; ein Ausdruck, den Mike noch nie zuvor darin
erblickt hatte und der ihm ganz und gar nicht gefiel.
»Winterfeld muß vollkommen den Verstand verloren
haben!« fuhr Trautman erregt fort. »Na gut - wenn
dieser feine Herr Krieg haben will, dann kann er ihn
bekommen.«
Mike tauschte einen Blick mit Singh. Auch dem Inder
war die Veränderung, die plötzlich mit Trautman vor
sich gegangen war, nicht verborgen geblieben. Und
sie schien ihm so wenig zu gefallen wie Mike.
»Wie meinen Sie das?« fragte Mike.
»Unseren
ursprünglichen
Plan können wir
vergessen«, antwortete Trautman. »Wie die Dinge liegen,
kommen wir nie unbemerkt an Bord der LEOPOLD.
Aber ich denke, daß wir immer noch die eine oder andere Überraschung für diesen Herren bereit haben.
Die NAUTILUS verfügt noch über ganz andere Möglichkeiten. Als wir noch unter Kapitän Nemo fuhren,
waren wir mehr als einmal in schlimmeren Situationen. Ich werde euch zeigen, wie wir solche Probleme
damals gelöst haben.«
»Sind Sie sicher, daß das auch klug ist?« fragte Mike.
Trautman lachte, leise und auf eine Art, die Mike fröstein ließ. »Nein«, sagte er. »Aber bestimmt wirksam.
Auf eure Plätze!«
Es lag etwas so Befehlendes in der Art, wie er das sagte, daß Mike nicht einmal auf den Gedanken kam,
sich zu widersetzen oder auch nur noch eine Frage zu
stellen, sondern sich auf Skalen und Schalter konzentrierte. Das Motorengeräusch wurde lauter, als die
NAUTILUS immer schneller wurde. Mike konnte ihr
genaues Tempo auf seinen Instrumenten nicht erkennen, aber er spürte, daß das Schiff seine normale
Höchstgeschwindigkeit längst
überschritten
hatte
und immer noch weiter beschleunigte. Eine sonderbare Erregung ergriff von ihm Besitz. Das Gefühl war
nicht sehr angenehm, aber er konnte sich ihm auch
nicht entziehen. Er glaubte den Anblick, den die
NAUTILUS plötzlich bieten mußte, vor seinem inneren Auge zu sehen: Das Schiff schoß wie ein gigantischer, stählerner Raubfisch unter Wasser auf seine
Beute zu, nicht mehr länger ein friedliches U-Boot,
das die Weltmeere durchkreuzte, sondern ein Ungetüm, das Vernichtung und Tod brachte.
Trautmans Blick war auf eine komplizierte Apparatur
gerichtet, auf der er die Entfernung zu ihrem Ziel ablesen konnte. Mike erschrak, als er sah, wie rasch sie
sich der LEOPOLD näherten. Sie brauchten die Torpedos, von denen Ben vorhin gesprochen hatte, gar nicht
mehr. Bei dieser Geschwindigkeit wurde die gesamte
NAUTILUS zu einem einzigen, übergroßen Geschoß.
»Was haben Sie vor?« erkundigte sich Juan. »Sie wollen das Schiff doch nicht wirklich versenken, oder?«
Trautman biß sich auf die Lippen. »Nein«, sagte er
dann. »Aber wir werden für ein wenig Aufregung an
Bord sorgen.« Er lachte. »Das letzte, womit Winterfeld
jetzt vermutlich rechnet ist, daß wir ihn angreifen.
Und gerade darum tun wir es.«
»Angreifen?« Juans Stimme verriet weitaus mehr von
seiner Unsicherheit als sein Gesichtsausdruck. »Die
LEOPOLD ist ein ziemlich großes Schiff, Trautman«,
sagte er. »Selbst im Vergleich zur NAUTILUS. Sind
Sie sicher, daß wir sie besiegen können?«
»Ja«, antwortete Trautman. »Wir könnten es, wenn es
sein müßte. Aber ich habe nicht vor, jemanden zu töten. Wir können das Schiff beschädigen und in dem
Durcheinander versuchen, Arronax und seine Leute
zu befreien und die Taucherglocke an uns zu bringen
- oder notfalls zu zerstören.«
»Und wie wollen Sie das
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