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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Autoren: Carol Coffey
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sich ab. Sein Blick wanderte durch das weitläufige Foyer, als ließe sich in der einen oder anderen unwirtlichen Ecke vielleicht eine Antwort finden - und dann sah er sie. Dort stand sie neben ihrem Gepäck, abwartend, beobachtend.
    »Tess! Ähm … das ist Mr. …, Entschuldigung, wie, sagten Sie, war Ihr Name?«

    »Dermot, Dermot Lynch.«
    »Mr. Lynch. Er ist gekommen, um dich nach Hause zu bringen. Wie bist du hierhergekommen?«
    Das war auch so eine Geschichte. Er begegnete Tess immer wieder auf Treppen, auf denen sie nichts zu suchen hatte, in Zimmern, zu denen ihr der Zutritt verboten war, und das Personal wusste nie, wie sie dort hingeraten war. Nach mehreren Vorkommnissen dieser Art hatte er aufgehört, sie danach zu fragen, da sie niemals das Gelände verließ und auch sonst nichts Verbotenes tat. So hatten sie sich alle daran gewöhnt, dass Tess immer da war, wo sie eigentlich nicht sein sollte, und nie dort, wo man sie erwartete.
    »Tut mir leid, Tess. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass dein Bruder oder deine Schwester dich abholen. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich rufe sofort bei ihnen an und bitte sie, dich an einem anderen Tag abzuholen.«
    Tess schüttelte den Kopf und ging langsam auf den verlegenen jungen Mann zu.
    Dermot kam sich vor wie in einer Fernsehsendung, in der einem irgendeine Falle gestellt wird und die ganze Welt zuschauen kann, wie man veräppelt wird.
    Dr. Cosgrove glaubte, dass sie ihn nicht richtig verstanden hatte. »Tess, das ist nicht dein Bruder, aber ich rufe ihn gleich an und kläre das Ganze. Es tut mir leid, Tess.« Er wusste, wie sie sich auf diesen Tag gefreut hatte.
    »Ich gehe«, erklärte Tess nüchtern.
    Dr. Cosgrove war verdutzt, fasste sich aber schnell wieder. »Es tut mir leid, Tess«, sagte er noch einmal, wobei ihm bewusst war, dass er sich nicht für das momentane Durcheinander entschuldigte, sondern für all die Jahre, in denen er ihr nicht wirklich hatte helfen können. »Auf Wiedersehen. Melde dich mal wieder. Und falls du irgendetwas brauchst oder …«

    Sie war bereits auf dem Weg zum Ausgang, vorbei an den Krankenschwestern und Pflegern, die so viele Jahre ein Teil ihres Lebens gewesen waren. Sie schaute weder rechts noch links, sondern ging mit dem Koffer in der Hand schnurstracks geradeaus. Flink stieg sie in den Lieferwagen und warf nur einen kurzen Blick zurück auf ihr Zimmerfenster, um es auch einmal von außen zu betrachten. Das hatte sie sich fest vorgenommen, auch wenn sie nicht wusste, warum, und dachte darüber nach, als der Lieferwagen sich in Bewegung setzte und sie sich auf den Weg nach Hause machten.
     
    Árd Glen war eine kleine Bauerngemeinde im Südwesten von County Wicklow. Trotz der bezaubernden Lage, umgeben von Bergen und Seen, hatte sich die Zahl der rund dreihundert Einwohner über die Jahre nie nennenswert verändert. Es gab kaum Arbeit, und die meisten Familien betrieben eine kleine Viehzucht, da das Land für den Getreideanbau zu hügelig war. Im Frühling musste man sich um die neugeborenen Lämmer kümmern und im Sommer kamen für gewöhnlich ein paar, überwiegend amerikanische, Touristen, auf der Suche nach dem Grab ihrer Urgroßeltern vorbei. Doch im Herbst und Winter legte sich der Himmel wie eine schwere, graue Decke über das Dorf und überließ die Bewohner ihren Erinnerungen, den guten wie den schlechten.
    Die Erinnerungen waren es auch, die Seán Byrne unruhig in der Küche des bescheidenen Hauses auf und ab laufen ließen, in dem er seit seiner Geburt lebte. Das Haus teilte ein lang gezogener, dunkler Flur. Das Zimmer zur Linken, ein ehemaliges Schlafzimmer, war zu einem Wohnzimmer umfunktioniert worden, das jedoch kaum benutzt wurde. Das Zimmer auf der rechten Seite bewohnten Seán und Ben, während Kate und Tess sich einen Raum am hinteren Ende des Flurs teilten,
der dem kleinen Badezimmer gegenüberlag, das Seán hinten ans Haus angebaut hatte. Sein Vater war viel zu geizig gewesen, um seiner Familie zu seinen Lebzeiten einen derartigen »Luxus« zu gönnen. Das linke Flurende führte in die Küche. Sie wurde von einem riesigen, altmodischen Küchenofen beherrscht, der die einst weißen Wände schwarz gefärbt hatte. Unter dem Fenster mit Blick auf den Hinterhof stand die Spüle, links und rechts flankiert von zwei Schränken, deren Lack überall abblätterte. Den Raum in der Mitte der Küche nahmen ein altmodischer Holztisch und vier abgewetzte Polsterstühle ein.
    Seán war stolz auf die
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