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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier
Autoren: Rosemarie Marschner
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Verehrers ging, sondern um die Rache eines Verlassenen.
    Schon am nächsten Tag erfuhr Clara in Berlin, was geschehen war. Sie zitterte vor Demütigung und Entsetzen – so sehr, dass man ihr vor ihrem eigenen Konzert Champagner einflößte, um sie zu kräftigen.
    Ein unbedeutender Prozess vor einem Appellationsgericht in der Provinz. Ein triviales Ansuchen um eine Heiratsgenehmigung. Noch immer war der Fall nicht abgeschlossen, doch die Beteiligten lagen längst in Ketten.Drei Menschen, die nur noch aneinander litten. Auch Clara und Robert Schumann merkten kaum noch, dass sie ein Liebespaar waren, wenngleich sie in ihren Briefen unentwegt die Gesten der Liebe zelebrierten. Clara wusste nicht, was sie davon halten sollte, als ihr Robert Schumann nach seitenlangen Sehnsuchtserklärungen berichtete, er habe Camilla Moke während ihres Aufenthalts in Leipzig besucht. An sich war eine solche Kontaktaufnahme nichts Ungewöhnliches: Eine berühmte Pianistin kam in eine Stadt und ein aufstrebender junger Komponist ließ sich bei ihr melden. Auch Clara hätte sich darüber nicht gewundert, hätte sich nicht auch ihr Vater soeben demonstrativ mit Camilla Moke gezeigt: Seht her, das ist die Rivalin meiner Tochter! Ihr wisst nun, wem ich den Vorzug gebe.
    Es kam Clara vor, als hätte ihr Verlobter sie mit seinem Besuch bei Camilla Moke verraten, zumal er auch noch in einem so launigen Ton davon erzählte, als sei das alles für ihn ein großer Spaß gewesen. »Zwischen vier und fünf am Nachmittag«, schrieb er in seinem Brief, »führte mich die Kammerfrau in ein finsteres Gemach. Ich ging einige Augenblicke auf und ab und blieb harrend an einem Bett stehen, bis sich etwas darauf regte und rakelte und mir eine freundliche Stimme zurief: ›Guten Abend!‹ Es hätte sich nun lächerlich gemacht, wenn ich hätte ausreißen wollen. So sah ich sie mir recht ordentlich im Bett an. Endlich stand sie auf (gar nicht eilig) und obschon ich gleich wieder fort wollte, blieb ich noch zwei Stunden bei ihr.«
    Clara konnte kaum glauben, was sie las. Sie begriff, dass Robert Schumann sie verletzen wollte. Zugleich erkannte sie auch, warum. Wir sind alle nicht mehr wir selbst, dachte sie, während ihr ein unterdrücktes Weinen fast die Kehle zerriss. Stundenlang brütete sie vor sich hin, abwechselnd wütend und verzagt. Dann beschloss sie, auf den Bericht nicht einzugehen und Robert Schumann keine Vorwürfe zu machen. Sie hatten gemeinsam einen langen Weg eingeschlagen und konnten nun nicht mehr zurück. Irgendwann, in nicht allzu langer Zeit, würde das Gericht entscheiden und die Straße in die gemeinsame Zukunft warfrei. Versicherte Dr. Einert nicht immer wieder, man könne nicht wissen, wie lange es noch dauern würde, aber die Erlösung könne jeden Tag bevorstehen?
    »Bei meinem nächsten Konzert werde ich Deine g-Moll-Sonate spielen«, teilte Clara Robert Schumann versöhnlich mit, als wäre nichts geschehen. Im nächsten Brief berichtete sie dann, alles sei gut gegangen, obwohl sie vergeblich gehofft habe, er käme auch selbst zu diesem Konzert.
    Alles gut gegangen – Robert Schumann atmete auf und machte sich Hoffnungen auf baldigen Ruhm. An den nächsten Tagen aber entnahm er der Presse, das Publikum habe sein Werk nicht verstanden. Dieses so außerordentlich moderne Musikstück sei wohl zu seriös und stellenweise zu temporeich gewesen. Deshalb habe man auch nur sehr verhalten Beifall gespendet. Dieser Zuspruch habe aber eigentlich nur der Pianistin gegolten, die wahrlich Übermenschliches geleistet habe.
    Auch Clara las diese Kritiken und bedauerte sie. Bestimmt würde Robert Schumann tief gekränkt sein. Dabei hatte sie ihm bloß beweisen wollen, dass sie bereit war, für seine Werke einzutreten.
    Nur Friedrich Wieck freute sich. Der Anfang vom Ende!, dachte er hoffnungsvoll. Wie gerne wäre auch er wieder zur Ruhe gekommen! Er, wie sie alle drei, die vergeblich versuchten, ihr Glück einzufangen oder festzuhalten.
2
    Es hatte nicht den Anschein, als ob Friedrich Wieck in nächster Zeit Claras Capital herausgeben würde. Trotzdem befand sich Clara nicht in akuter Geldnot. Die laufenden Konzerte sorgten für ein komfortables Auskommen. Dennoch machte sie sich Sorgen. Mit jedem Tag, der verging, wuchs die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht seine Entscheidung veröffentlichte. Bei aller Anspannung rechneten Clara und Robert Schumann damit, dassdas Urteil in ihrem Sinne fallen würde. Dass sie mit der Hochzeit danach nicht
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