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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier
Autoren: Rosemarie Marschner
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Schumanns »Refutationsschrift«, in der er erneut seine Vermögensverhältnisse darlegte, diesmal mit Dr. Einerts Hilfe auf den Taler genau. Gesamtvermögen: 12 688 Reichstaler, jährliche Festeinnahmen: 1500 Reichstaler. Außerdem fügte Robert Schumann ausführlicheDokumente über seine Ehrenmitgliedschaften hinzu, weiters seine Promotionsurkunde und Urteile von Musikkennern über seine Kompositionen. Gleichzeitig ging er nun auch selbst zum Angriff über, indem er Friedrich Wieck wegen Ehrenbeleidigung verklagte und die sofortige Herausgabe des von Clara verdienten Capitals verlangte.
    Der Krieg war in vollem Gange. Friedrich Wieck musste erkennen, dass er dabei war, den Prozess zu verlieren. Die einzige Chance, die er noch sah, war das Zeugnis eines absolut untadeligen, hoch angesehenen Bürgers, der das schwammige Argument der Trunksucht mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit bekräftigte.
    Der Einzige, der ihm als möglicher Zeuge einfiel, war Felix Mendelssohn. Er musste dazu gebracht werden, gegen Robert Schumann auszusagen. Dann bestand vielleicht noch Hoffnung, die treulose Tochter und ihren Galan in die Schranken zu weisen.
    So ließ sich Friedrich Wieck an einem sonnigen Januarmorgen bei Felix Mendelssohn melden. Viele Passanten auf der belebten Straße sahen ihn eintreten und viele sahen ihn schon nach kurzer Zeit mit hochrotem Kopf wieder herausstürmen. In wilder Eile hastete er nach Hause, rempelte Entgegenkommende an und zersprengte Gesprächsgrüppchen. In der Grimmaischen Gasse angekommen, sperrte er sich im Salon ein und war bis zum Abend nicht zu sprechen. Nur durch die Indiskretion des Dieners August wurde bekannt, dass er in seiner Wut offenbar Gegenstände zu Boden warf, laut vor sich hin schimpfte und schließlich in ein verzweifeltes Schluchzen ausbrach, dem eine lange Stille folgte, dass der Diener schon meinte, sein Herr habe sich etwas angetan.

Schöne Wiege meiner Leiden
1
    Drei Menschen, die nur noch aneinander litten. Die Leipziger Gesellschaft erlebte mit, wie der tüchtige, machtgewohnte Friedrich Wieck von Tag zu Tag fahriger und unsicherer wurde. Seine Geschäfte interessierten ihn nicht mehr und seine auswärtigen Kunden bestellten ihre Klaviere bald anderswo. Auch die Gäste seiner musikalischen Abende blieben aus, weil jedes Gespräch im Streit endete. Nicht einmal seine Ehefrau wollte mehr mit ihm zu tun haben. Unter dem Vorwand, ein hartnäckiger Husten quäle sie und sie wolle deshalb lieber allein schlafen, übersiedelte Clementine in Claras Zimmer – natürlich nur vorübergehend, wie sie versicherte. In Wahrheit konnte sie sich nicht vorstellen, jemals wieder ins eheliche Schlafzimmer zurückzukehren, wo sich ihr Gatte Nacht für Nacht stöhnend hin und her wälzte, im Schlaf laut aufschluchzte und um sich schlug.
    Manchmal versuchte Clementine, ihn zu beruhigen. »Wir müssen miteinander reden«, sagte sie dann. Doch bevor sie noch besänftigend auf ihn einwirken konnte, war er schon wieder in voller Fahrt, wetterte gegen das Gericht, gegen Robert Schumanns Anwalt und vor allem gegen »dieses unglückselige Paar, das einander wert ist«.
    Clara war nun die Verräterin, die Undankbare, die ihn im Stich gelassen und betrogen hatte, so wie einst ihre Mutter, die Ehebrecherin, die Sünderin, die aber – es gab noch eine Gerechtigkeit! – dafür bestraft worden sei. Auch Clara würde ihren Preis entrichten müssen. Sie meine wohl, sie sei ein Genie, das aufseine Hilfe verzichten könne. In Wahrheit aber sei sie ohne ihren Vater ein Nichts. Ohne seine Beratung als Lehrer und ohne seine Tüchtigkeit als Impresario sei sie zum Scheitern verurteilt. Vor allem mit diesem Versager an ihrer Seite, der sie vom Weg abgebracht habe und nur ausnützen wolle.
    »Wir müssen reden!«, drängte Clementine noch einmal und versuchte ihren Gatten zu überzeugen, dass er sich endlich von diesem Kampf gegen seine Tochter lösen müsse, um wieder ein eigenes Leben führen zu können. »Denk an unsere Ehe, Friedrich!«, flüsterte sie. »Wir sprechen schon gar nicht mehr miteinander. So kann es nicht weitergehen. So will ich nicht mehr leben.«
    Da schwieg er für kurze Zeit und bemerkte eigentlich erst jetzt, dass Clementine da war. Zugleich arbeiteten seine Gedanken aber schon wieder weiter, und er beschloss, nach einem neuen Wunderkind zu suchen, das die Stelle der abtrünnigen Tochter einnehmen konnte.
    Doch die kleinen Mädchen, die er prüfte und zu fördern versuchte, wurden
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