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Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)

Titel: Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
Autoren: Evelyn Sanders
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störte ihn nicht. Allerdings bevorzugte er Ravioli einer ganz bestimmten Marke und hockte mit vorwurfsvollem Blick vor seinem Fressnapf, sobald Tinchen ihm ein anderes Produkt zumutete. Der Tierarzt bemängelte zwar ständig die unsachgemäße Ernährung, musste aber zugeben, dass der Hund kerngesund war, weder überfüttert noch neurotisch und deshalb keine nennenswerte Bereicherung seiner Patientenkartei darstellte.
    Klausdieter liebte Mülleimer, Bettvorleger, saure Gurken, Kaninchenlöcher, wollene Pudelmützen, die er hingebungsvoll zerkaute, jede Art von Papier und Tee mit Rum; dagegen hasste er Staubsauger, den Tierarzt, Hundeleinen, Gewaschenwerden und Jeans.
    »Da muss es irgendein Schlüsselerlebnis gegeben haben«, hatte Florian vermutet, nachdem Klausdieter das dritte Paar zerfetzt hatte. »Vielleicht hat er von seinem Peiniger bloß die Hosenbeine gesehen und assoziiert Jeans mit Prügeln.« Worauf die Familie Bender dem Hund zuliebe auf Cordhosen und ähnliche pflegeleichte Materialien umstieg und Klausdieters Zerstörungswut in andere Bahnen lenkte. Zurzeit bevorzugt er Pantoffeln und Tempotaschentücher.
    »Ob er sich mit Willi verträgt?«, grübelte Tinchen.
    Willi war Urbans Papagei, ein blauer Amazonas-Ara und letztes Glied eines langen Tauschhandels, der mal mit zwei alten Fahrradfelgen angefangen hatte. Sein Sprachschatz war ebenso groß wie unanständig, aber Urban hatte glaubhaft versichert, dass Willi dieses Repertoire bereits mitgebracht und nicht etwa erst bei ihm gelernt habe.
    »Sollte dein Interesse für Detailfragen etwa bedeuten, dass du Fabians Vorschlag annimmst?«, fragte Florian hoffnungsvoll.
    »Vorher müsste natürlich noch einiges geklärt werden, zum Beispiel, wie weit die Verantwortung geht. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Melanie nur aus Selbstlosigkeit zu Hause bleibt? Die wittert eine sturmfreie Bude, und ich kann ewig mit der Pille hinter ihr herrennen.«
    »Das Kind ist erst sechzehn.«
    »Das Kind ist schon sechzehn. Und weil die Halbwüchsigen außerdem zu alt sind für das, was die Kinder tun, aber zu jung für das, was die Erwachsenen tun, tun sie Dinge, die sonst niemand tut. Und die sind unberechenbar.« Tinchen rappelte sich aus ihrem Sessel hoch und hielt Florian das leere Glas entgegen. »Gib mir noch einen, und dann lass uns die ganze Geschichte mal durchrechnen.«
    Sie ging zum Schreibtisch und fischte aus dem herumliegenden Durcheinander einen Zettel heraus. »Brauchst du den noch? Ist eine Quittung über drei Mark achtzig, also sowieso zu wenig. Außerdem hat sie zwei Fettflecke.«
    »Das kann ich auch im Kopf«, behauptete Florian. »Die tausend Mark Haushaltsgeld pro Monat fallen weg, weil uns Fabian ernähren will. Das Auto wird geschont, wir brauchen keinen Strom und kein Heizöl zu bezahlen, und das Bier in der Dorfkneipe wird bestimmt auch billiger sein als hier.« Er sah sehnsüchtig zu dem blauen Schnellhefter hinüber, der auf dem Bücherregal lag und in dicken schwarzen Buchstaben die Aufschrift trug: »Psychologie der Jugendlichen zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig.«
    »Hast du eigentlich schon daran gedacht, welche Möglichkeiten sich für mich eröffnen? Ein halbes Jahr lang kann ich mit vier Prachtexemplaren von Teens und Twens zusammenleben. Bessere Studienobjekte könnte ich mir gar nicht wünschen.«
    »Das hört sich an, als ob du von weißen Mäusen sprichst.«
    »Blödsinn! Überleg doch mal, Tinchen! Bis Tobias und Julia das richtige Alter erreicht haben, vergehen noch mindestens zehn Jahre. Da bin ich fünfzig, und ob ich dann noch die Nerven habe, ihr Verhalten unvoreingenommen zu beurteilen und zu interpretieren, weiß ich nicht. Außerdem steht man seinen eigenen Kindern sowieso nicht objektiv genug gegenüber.«
    »Das stimmt!«, bestätigte seine Frau. »Wenn Tobias mal mit einer Zwei im Diktat nach Hause kommt, hältst du ihn schon für ein Genie.«
    »Die Intelligenz hat er ja auch von mir.«
    »Ich glaube schon«, sagte Tinchen trocken, »meine habe ich nämlich noch.« Sie stand auf und räumte die Gläser in die Küche. Mit einem Blick auf den seit Tagen tropfenden Wasserhahn rief sie über die Schulter: »Hast du den Klempner erreicht?«
    »Ja«, tönte es zurück. »Er kommt um elf.«
    »Morgen?«
    »Den Tag hat er nicht gesagt.« Florian zog seine Lederjacke an und pflückte die Hundeleine vom Schlüsselbrett.
    Der Hund schob die Schnauze über den Rand seines Körbchens und blinzelte schläfrig zu seinem Herrn
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