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Das Lied der roten Erde (German Edition)

Das Lied der roten Erde (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Erde (German Edition)
Autoren: Inez Corbi
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mit ihr geschah. Das Zimmer lag direkt über dem Schlafzimmer ihrer Eltern, und ein paar verzweifelte Momente lang hoffte sie, der Vater würde kommen und sie aus ihrer Not retten. Hatte er denn nicht ihren Schrei gehört? Ihr Unterleib schien in Flammen zu stehen. Schließlich gab sie ihren Widerstand auf und ließ es mit zusammengebissenen Zähnen über sich ergehen. Sie lauschte auf schwere Tritte auf der Treppe, aber alles, was sie vernahm, war das Knarren des Bettes und McIntyres Schnaufen. Eine raue Wange kratzte über ihre Haut, der Backenbart kitzelte sie in der Nase, während ihr Gemahl immer wieder mit grimmiger Hartnäckigkeit in sie stieß, bis er endlich mit einem ächzenden Röhren über ihr zusammensank.  
    Für einen kurzen, herrlichen Augenblick glaubte Moira, ihn habe der Schlag getroffen. Doch es dauerte nur Sekunden, bis er sich auch schon von ihr wälzte und sie anwies, nach unten zu rücken und die Füße auf das Bettgeländer zu legen. In dieser Position sollte sie eine Weile ruhig liegen bleiben.  
    »So können wir sichergehen, dass du so schnell wie möglich empfängst.« McIntyre tätschelte unbeholfen ihre Hand.  
    Moira entzog ihm ihre Finger und starrte schweigend in die Dunkelheit.  

3.  
     
    Duncan O’Sullivan starrte auf das widerliche Gemisch in seinem Blechnapf. Grau, durchsetzt mit bräunlichen Fettaugen, dazwischen faserige Anteile. Getrocknete Erbsen, gekocht mit Weizen und Sauerkraut: die Standardverpflegung, die es an Bord jeden zweiten Tag gab. Aber es hätte auch ein gebratenes Hühnchen sein können – Duncan hätte beim besten Willen nichts heruntergebracht. In den drei Tagen, seit die Minerva von Cork aus in See gestochen war, hatte er sich noch nie so elend gefühlt. Ein dumpfer Druck saß in seiner Magengegend, und das einfache Leinenhemd, das er trug, seit man ihn vor zwei Wochen auf dieses Schiff gebracht hatte, war durchtränkt mit kaltem Schweiß. Aber er würde noch essen. Später. Er musste bei Kräften bleiben. Das hatten ihn die harten Jahre seiner Kindheit gelehrt.  
    Vorsichtig schob er den Napf an das Fußende, strich sich eine dunkle Haarsträhne aus den Augen und legte sich zurück in die enge Koje, die für die nächsten Monate sein Zuhause darstellen würde. Die Pritschen erhoben sich Regalbrettern gleich bis hinauf zur Decke. Er lag auf der zweiten von unten. Die nächste befand sich kaum zwei Fuß über ihm, so dass er sich nicht einmal aufsetzen konnte.  
    Draußen wütete die See. Er hörte die Wellen gegen den Schiffsrumpf klatschen, nur durch ein paar hölzerne Planken von ihm getrennt. In der abgestandenen Luft des Zwischendecks hing der Gestank nach Erbrochenem und anderen Ausscheidungen. Die Wandluken, durch die sie die Eimer mit ihrer Notdurft entleerten und die für Frischluft sorgen sollten, waren wegen des Seegangs geschlossen. Nur eine einzelne, mit den Schiffsbewegungen hin und her schwingende Laterne erhellte das stickige Halbdunkel der Sträflingsunterkünfte und warf zuckende Schattenrisse. Das Stöhnen und Seufzen der anderen Häftlinge klang überlaut in seinen Ohren. Von weiter hinten kam monotones Gemurmel; es hörte sich an, als zählte jemand. Über ihm schnarchte der Hüne Fitzgerald, verurteilt zu lebenslanger Deportation. Für Duncan war es unbegreiflich, wie der Mann bei diesem Seegang schlafen konnte – und wie er sich mit seinen Körpermaßen überhaupt in die schmale Koje hatte zwängen können. Schon für Duncan war die Pritsche zu kurz.  
    Mehr als einhundertsechzig Sträflinge waren hier auf engstem Raum untergebracht, auf je fünf Pritschen übereinander, paarweise an einem schmalen Gang angeordnet, siebzehn Reihen lang. Viele von ihnen waren politische Gefangene, Rebellen, wie die englischen Herren sie nannten, verurteilt für ihre Beteiligung am Kampf um die Freiheit ihres Landes. Daneben gab es noch ein paar gewöhnliche Verbrecher – Schmuggler, Diebe, Fälscher, Bigamisten.  
    »He, Dudley, halt endlich die Klappe, oder ich stopf dir das Maul!«  
    Für einen Moment war Ruhe, dann ging das Zählen erneut los. Es zerrte auch an Duncans überreizten Nerven. Sollte das die ganze Überfahrt so weitergehen?  
    Ein neuer Brecher rüttelte am Schiff. Duncan hielt sich an der hölzernen Umrandung seiner Pritsche fest und versuchte, die schlingernden Schiffsbewegungen abzufangen und seinen Napf mit dem Fuß vor dem Herunterfallen zu bewahren. Erneut brandete Übelkeit in ihm auf. Für einen Moment schloss
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