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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori
Autoren: Sarah Lark
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... William, der neue Gast.«
    »William?«, fragte Helen indigniert. »Der junge Mann hat sich mit dem Vornamen vorgestellt?«
    Elaine schüttelte rasch den Kopf, um ja keine Ressentiments gegen den neuen Mieter aufkommen zu lassen.
    »Natürlich nicht. Ich hab’s auf dem Meldezettel gesehen. Er heißt Martyn. William Martyn.«
    »Nicht gerade ein irischer Name«, bemerkte Daphne. »Kein irischer Name, kein Akzent ... Wenn das mal alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn ich Sie wäre, würde ich dem Knaben erst mal gründlich auf den Zahn fühlen, Miss Helen!«
    Elaine warf ihr einen feindseligen Blick zu. »Er ist ein feiner Mann, das weiß ich! Er wird sogar sein Goldgräberwerkzeug bei uns im Laden kaufen ...«
    Der Gedanke tröstete sie. Wenn William in den Laden kam, würde sie ihn wiedersehen, egal, wie Grandma über ihn dachte.
    »Das macht ihn natürlich zu einem Ehrenmann!«, spottete Daphne. »Aber kommen Sie, Miss Helen, lassen Sie uns über etwas anderes sprechen. Ich habe gehört, Sie bekommen Besuch aus Kiward Station. Ist es Miss Gwyn?«
    Elaine hörte dem Gespräch noch ein Weilchen zu, zog sich dann aber zurück. Über den Besuch ihrer anderen Großmutter und ihrer Cousine war in den letzten Tagen schließlich schon ausgiebig geredet worden. Wobei Gwyneiras Stippvisite keine Sensation war. Sie besuchte ihre Kinder und Enkel öfter und war vor allem mit Helen O’Keefe eng befreundet. Wenn sie in ihrer Pension logierte, plauderten die Frauen oft nächtelang. Außergewöhnlich war eher, dass Gwyn diesmal von Elaines Cousine Kura begleitet werden sollte. Das war bisher noch nie vorgekommen, und es schien ein bisschen ... ja, skandalumwittert! Elaines Mutter und Großmutter senkten meist die Stimmen, wenn es um dieses Thema ging, und sie hatten die Kinder auch Gwyneiras Brief nicht lesen lassen. Kura schien sich sonst nämlich nicht viel aus Reisen zu machen, zumindest nicht zu ihrer Verwandtschaft nach Queenstown.
    Elaine kannte Kura kaum, obwohl die beiden im gleichen Alter waren. Kura war gerade ein gutes Jahr jünger als Elaine. Trotzdem hatten die Mädchen sich bei Elaines seltenen Besuchen auf Kiward Station nie viel zu sagen gehabt. Die Unterschiede im Wesen der beiden waren einfach zu groß. So hatte Elaine nichts anderes im Kopf als Reiten und Schafe zu treiben, sobald sie Kiward Station erreichte. Die Weite des endlosen Graslandes und die Aberhunderte von Wolllieferanten, die darauf grasten, faszinierten sie. Hinzu kam, dass ihre Mutter Fleurette auf der Farm richtiggehend aufblühte. Es war aufregend für sie, mit Elaine um die Wette zu reiten, in Richtung der schneebedeckten Gipfel der Alpen, die trotz des verwegenen Galopps keinen Zoll näher zu rücken schienen.
    Kura dagegen saß am liebsten im Haus oder im Garten und hatte nur Augen für das neue Klavier, das mit einem Warentransport für die O’Keefes von England nach Christchurch gekommen war. Elaine hatte sie deshalb für ein reichlich dummes Ding gehalten; aber natürlich war sie damals erst zwölf Jahre alt gewesen. Und sicher spielte auch der Neid eine Rolle. Kura war die Erbin von Kiward Station. Ihr würden einmal all die Pferde, Schafe und Hunde gehören – und sie wusste es kein bisschen zu schätzen!
    Nun, inzwischen war Elaine sechzehn und Kura fünfzehn. Bestimmt gab es mittlerweile mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Mädchen, und diesmal würde Elaine der Cousine ihre Welt zeigen können! Sicher gefiel ihr die quirlige kleine Stadt Queenstown am Lake Wakatipu, die den Bergen so viel näher war als die Canterbury Plains und die sehr viel aufregender war, mit den vielen Goldsuchern aus aller Herren Länder und einem Pioniergeist, der sich nicht auf pures Überleben beschränkte. Queenstown hatte eine florierende Laientheatergruppe unter Leitung des Pfarrers, es gab Squaredance-Gruppen, und ein paar Iren hatten sich zu einer Band zusammengeschlossen und spielten im Pub oder im Gemeindezentrum Irish Folk.
    Elaine überlegte, dass sie das auch William unbedingt einmal erzählen musste – vielleicht hatte er ja Lust, mit ihr zum Tanz zu gehen! Jetzt, da sie die skeptischen Damen im Garten verlassen hatte, kehrte das verklärte Leuchten in Elaines Gesicht zurück. Hoffnungsvoll begab sie sich erneut an die Rezeption. Vielleicht kam William ja noch einmal vorbei ...
     
    Zunächst allerdings erschien Grandma Helen. Sie dankte Elaine freundlich für die Vertretung und gab ihr damit zu verstehen, dass ihre Anwesenheit nicht länger
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