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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori
Autoren: Sarah Lark
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Hochstimmung ihrer Enkelin und deren Ursprung, dem Neuankömmling William Martyn, vorerst nichts ahnte, füllte mit eleganten Bewegungen Tee in die Tasse ihrer Besucherin Daphne O’Rourke.
    Diese Teeparty in aller Öffentlichkeit bereitete beiden Damen ein diebisches Vergnügen. Sie wussten, dass halb Queenstown über die seltsame Beziehung zwischen den beiden »Hotel«-Besitzerinnen tuschelte. Helen hatte jedoch keine Berührungsängste. Ungefähr vierzig Jahre zuvor war die damals erst dreizehnjährige Daphne unter ihrer Aufsicht nach Neuseeland geschickt worden. Ein Londoner Waisenhaus wollte sich einiger Zöglinge entledigen, und in Neuseeland wurden Hausmädchen gesucht. Auch Helen reiste damals in eine ungewisse Zukunft mit einem ihr noch unbekannten Mann. Die Church of England bezahlte ihr die Überfahrt als Aufsichtsperson der Mädchen.
    Helen, bislang Gouvernante in London, nutzte die dreimonatige Reise, um den Kindern ein wenig gesellschaftlichen Schliff beizubringen, wovon Daphne heute noch zehrte. Ihre Anstellung als Dienstmädchen war dann allerdings zu einem Fiasko geworden – genau wie langfristig Helens Ehe. Beide Frauen fanden sich in unerträglichen Verhältnissen wieder, aber beide hatten das Beste daraus gemacht.
    Nun sahen sie auf, als sie Elaines Schritte auf der hinteren Terrasse hörten. Helen hob ihr schmales, von tiefen Falten durchzogenes Gesicht, dessen spitze Nase die Verwandtschaft mit Elaine verriet. Ihr Haar, ursprünglich dunkelbraun mit kastanienfarbenem Schimmer, war inzwischen von grauen Strähnen durchzogen, aber immer noch lang und kräftig. Helen steckte es meist zu einem großen Knoten im Nacken auf. Ihre grauen Augen leuchteten lebensklug und immer noch neugierig – vor allem jetzt, da sie den strahlenden Ausdruck auf Elaines Gesicht bemerkte.
    »Nanu, Kind! Du sieht aus, als hättest du eben ein Weihnachtsgeschenk bekommen. Gibt’s was Neues?«
    Daphne, deren katzenartige Züge selbst dann ein wenig hart wirkten, wenn sie lächelte, schätzte Elaines Ausdruck weniger unschuldig ein. Sie hatte ihn auf den Gesichtern Dutzender leichter Mädchen gesehen, die meinten, unter ihren Freiern den Märchenprinzen gefunden zu haben. Und dann hatte Daphne jedes Mal lange Stunden damit verbracht, die Mädchen zu trösten, wenn der Traumprinz sich schließlich doch als Frosch oder gar als widerwärtige Kröte erwies. In Daphnes Gesicht spiegelte sich deshalb Wachsamkeit, als Elaine jetzt so vergnügt auf sie zukam.
    »Wir haben einen neuen Gast!«, erklärte sie eifrig. »Einen Goldsucher aus Irland.«
    Helen runzelte die Stirn. Daphne lachte, und ihre leuchtend grünen Augen blitzten spöttisch.
    »Hat der sich nicht verlaufen, Lainie? Irische Goldsucher landen sonst eher bei meinen Mädchen.«
    Elaine schüttelte heftig den Kopf. »Es ist nicht so einer ... Verzeihung, Miss Daphne, ich meine ...« Sie verhaspelte sich. »Er ist ein Gentleman ... glaube ich.«
    Die Falten auf Helens Stirn wurde noch tiefer. Mit Gentlemen hatte sie so ihre Erfahrungen.
    »Schätzchen«, sagte Daphne lachend, »irische Gentlemen gibt es nicht. Alles, was da von Adel ist, kommt ursprünglich aus England, denn die Insel ist seit Urzeiten in englischem Besitz – ein Umstand, über den die Iren immer noch heulen wie Wölfe, wenn sie ein paar Gläser getrunken haben. Die meisten irischen Clanvorsteher wurden abgesetzt und von englischen Adligen verdrängt. Und die tun seitdem nichts anderes, als sich an den Iren zu bereichern. Zuletzt ließen sie ihre Pächter zu Tausenden verhungern. Echte Gentlemen! Aber dazu dürfte dein Goldsucher kaum gehören. Die hängen an ihrer Scholle.«
    »Woher wissen Sie denn so viel über Irland?«, erkundigte Elaine sich neugierig. Die Besitzerin des Freudenhauses faszinierte sie, aber leider hatte sie nur selten Gelegenheit, ausführlich mit ihr zu sprechen.
    Daphne lächelte. »Süße, ich bin Irin. Zumindest auf dem Papier. Und wenn die Einwanderer bei mir ihren Moralischen kriegen, tröstet sie das ungemein. Ich hab sogar den Akzent geübt ...« Daphne verfiel in breites Irisch, und jetzt lachte auch Helen. Tatsächlich war Daphne irgendwo im Londoner Hafenviertel geboren. Sie lebte allerdings unter dem Namen einer irischen Einwanderin. Bridie O’Rourke hatte die Überfahrt nicht überlebt, ihr Pass jedoch war über einen englischen Matrosen in die Hände der jungen Daphne geraten.
    »Komm, Paddy, darfst mich Bridie nennen.«
    Elaine kicherte.
    »So redet er aber nicht
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