Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
diesen Symbolen etwas anhaben, sie sind gegen Verwitterung gefeit. Trotzdem ist man nicht so sicher wie in einem Haus, dessen Wände und Türen mit Schutzzeichen versehen sind.
    Standest du schon einmal einem Horcling von Angesicht zu Angesicht gegenüber, Junge?«, fragte der Kurier und blickte Arlen fest in die Augen. »Hast du jemals zugesehen, wie einer versucht, dich anzugreifen, und du kannst dich nirgendwohin flüchten? Und das Einzige, was dich vor der Attacke schützt, ist ein unsichtbarer Zauber?« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht bin ich zu streng mit Keerin. Er wurde auf die Probe gestellt und hat sich bewährt. Hat ein bisschen geschrien, aber das war ja zu erwarten. Doch sich Nacht für Nacht mit der Gefahr auseinanderzusetzen, ist etwas ganz anderes. Manche
Männer zerbrechen daran, fürchten dauernd, irgendein vom Wind herbeigewehtes Blatt könnte auf einem Siegel landen und dann …« Plötzlich stieß er ein lautes Zischen aus und stieß mit den zu Klauen gekrümmten Fingern einer Hand nach Arlen, nur um schallend zu lachen, als der Junge erschrocken zurückprallte.
    Mit dem Daumen fuhr Arlen über jede einzelne glatte, lackierte Holztafel; ganz deutlich konnte er die Kraft der Siegel spüren. Sie waren in Abständen von jeweils einem Fuß an das Seil geknüpft, was der gängigen Vorschrift für das Anbringen von Schutzzeichen entsprach. Er zählte mehr als vierzig Siegel. »Und was ist mit den Winddämonen?«, fragte er. »Können die nicht in einen derart großen Zirkel hineinfliegen? Mein Dad stellt Pfosten auf, damit sie nicht auf den Feldern landen.«
    Ragen sah ihn ein wenig überrascht an. »Wahrscheinlich verschwendet dein Dad damit nur seine Zeit«, meinte er. »Winddämonen sind tüchtige Flieger, aber um sich überhaupt in die Luft schwingen zu können, müssen sie einen langen Anlauf nehmen oder aus großer Höhe herunterspringen. In einem Maisfeld haben sie weder genügend Platz zum Laufen, noch gibt es etwas zum Hinaufklettern. Deshalb werden sie sich schwer hüten, dort zu landen, es sei denn, sie entdecken etwas, dem sie nicht widerstehen können - zum Beispiel einen kleinen Jungen, der auf dem Feld schläft, weil er sich auf eine Mutprobe eingelassen hat.« Er sah Arlen mit demselben Blick an, mit dem Jeph ihn zu durchbohren pflegte, wenn er ihm einschärfen wollte, dass mit den Horclingen nicht zu spaßen sei. Als ob er das nicht wüsste!
    »Außerdem müssen Winddämonen in großen Kreisen fliegen, wenn sie die Richtung ändern wollen«, fuhr Ragen fort. »Und die meisten haben eine Flügelspannweite, die den Durchmesser
des Bannzirkels übertrifft. Es ist sicher möglich, dass einer in den Zirkel hineinfliegt, aber ich habe es noch nie erlebt. Sollte es wider Erwarten doch einmal vorkommen, dann …« Er deutete auf den langen, kräftigen Speer an seiner Seite.
    »Kann man einen Horcling mit einem Speer töten?«, wunderte sich Arlen.
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Ragen, »aber angeblich kann man sie betäuben, wenn man sie gegen die Siegel drückt.« Er gab ein prustendes Lachen von sich. »Hoffentlich komme ich niemals in die Verlegenheit, herausfinden zu müssen, ob das stimmt.«
    Mit großen Augen starrte Arlen ihn an.
    Ragen erwiderte seinen Blick und wurde plötzlich ernst. »Die Arbeit eines Kuriers ist gefährlich, mein Junge«, erklärte er abschließend.
    Eine geraume Zeit lang konnte Arlen den Blick nicht von ihm abwenden. »Ich finde, das Risiko lohnt sich, wenn man dafür die Freien Städte besuchen kann«, erwiderte er nach einer Weile. »Erzähl mir, wie sieht Fort Miln aus?«
    »Fort Miln ist die reichste und schönste Stadt der Welt«, behauptete Ragen. Er lupfte den Ärmel seines Kettenhemdes und enthüllte eine Tätowierung auf seinem Unterarm, die eine von zwei Bergen flankierte Stadt zeigte. »Die Minen des Herzogs enthalten schier unerschöpfliche Vorkommen an Salz, Metallen und Kohle. Die Wände und Dächer der Häuser sind durch Siegel so gut geschützt, dass kaum eine Gefahr besteht. Wenn die Sonne auf die Stadt scheint, dann glänzen die Gebäude in einer solchen Pracht und Herrlichkeit, dass selbst die Berge dagegen verblassen.«
    »Ich habe noch nie einen Berg gesehen«, gestand Arlen und zog bewundernd die Tätowierung mit einem Finger nach. »Mein Dad sagt, Berge sind nichts weiter als große Hügel.«

    »Siehst du diesen Hügel dort drüben?«, fragte Ragen und deutete in Richtung Norden.
    Arlen nickte. »Das ist der Torfhügel. Von der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher