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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens
Autoren: Jennifer Donnelly
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selbst hab keinen Hunger.«
    Jenny trug ein wollenes Männerhemd über ihrem dünnen Baumwollkleid. Die Hemdzipfel reichten bis zum Boden, das Kleid bedeckte kaum ihre Knie. Tommy hatte überhaupt keine richtige Oberkleidung an.
    Â»Ist schon gut, Tom. Es ist genug da«, antwortete ich.
    Â»Sie kann meinen haben. Mir hängt diese verdammte Pampe sowieso zum Hals raus«, sagte Lou und schob ihre Schale über den Tisch. Um ihre Freundlichkeit zu zeigen, ging sie oft die seltsamsten Wege.
    Â»Ich hoffe, Pa kann dich hören. Du redest wie ein Fuhrknecht.«
    Lou streckte die Zunge mit ihrem Frühstück darauf heraus. Abby sah aus, als hätte sie Lust, ihr eine runterzuhauen. Zum Glück war der Tisch zwischen ihnen.
    Alle hatten den Maismehlbrei satt. Mich eingeschlossen. Schon seit Wochen aßen wir ihn mit Ahornzucker darüber zum Frühstück und Mittagessen. Zum Abendessen gab’s Buchweizenpfannkuchen mit Kompott aus Äpfeln vom letzten Herbst. Oder Erbsensuppe mit einem alten Schinkenknochen, der vom langen Kochen weiß geworden war. Wir hätten gern Rinderhack oder Hühnchen und weiche Brötchen gegessen, aber das meiste, was wir im September eingelagert hatten, war aufgebraucht. Im Januar hatten wir das letzte Wild gegessen sowie den Schinken und den Speck. Und obwohl wir zwei Fässer frisches Schweinefleisch eingepökelt hatten, war eines davon verdorben. Was mein Fehler war. Pa hatte gesagt. ich hätte nicht genug Salz in die Lake gegeben. Im Herbst schlachteten wir dann einen unserer Hähne und danach noch vier Hennen. Damit blieben uns nur noch zehn Hühner, von denen Pa keins mehr anrühren wollte, da sie uns jetzt frische Eier und im Sommer Küken und noch mehr Eier liefern würden.
    Als Mama noch lebte, war alles anders. Irgendwie schaffte sie es, den ganzen Winter hindurch gutes Essen auf den Tisch zu bringen, und dennoch war im Frühling noch Fleisch im Keller übrig. Ich bin nicht mal ansatzweise so tüchtig, wie meine Mutter es war. und wenn ich dies vergessen sollte, gibt’s Lou, die mich daran erinnert. Oder Pa. Nicht daß er die gleichen Dinge sagen würde wie Lou, aber wenn er sich an den Tisch setzt, kann man an seinem Gesicht ablesen, daß es ihm keinen Spaß macht, tagein tagaus Maisbrei vorgesetzt zu bekommen.
    Jenny Hubbard jedoch hatte nichts dagegen. Sie wartete geduldig mit großen und ernsten Augen, während ich über den Rest, den Lou übriggelassen hatte. Ahornzucker streute und ihr die Schale reichte. Tom gab ich etwas aus dem Topf, jedenfalls so viel, wie ich erübrigen konnte, damit noch genug für Pa blieb.
    Abby nahm einen Schluck Tee, dann sah sie mich über den Rand ihrer Tasse hinweg an. »Hast du schon mit Pa geredet?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich stand hinter Lou und versuchte, ihr Haar durchzukämmen. Für Zöpfe war es zu kurz, weil es nur bis zum Kinn reichte. Kurz nach Weihnachten hatte sie es sich mit Mamas Schneiderschere abgeschnitten, gleich nachdem unser Bruder Lawton uns verlassen hatte.
    Â»Tust du’s noch?« fragte sie.
    Â»Ãœber was reden?« fragte Beth.
    Â»Geht dich nichts an. Iß dein Frühstück auf«, antwortete ich.
    Â»Was, Matt? Worüber willst du reden?«
    Â»Beth, wenn Mattie es dich wissen lassen möchte. würde sie es dir sagen«, warf Lou ein.
    Â»Du weißt es doch auch nicht.«
    Â»Aber ich erfahr’s.«
    Â»Mattie, warum erzählst du es Lou und mir nicht?« jammerte Beth.
    Â»Weil du den Mund nie nicht halten kannst«, sagte Lou.
    Damit ging die Streiterei von neuem los. Meine Nerven lagen blank. »Es heißt nicht
nie nicht,
Lou«, sagte ich. »Beth, hör auf zu quengeln.«
    Â»Matt, hast du das Wort des Tages schon rausgesucht?« fragte Abby. Abby, unsere Friedensstifterin. Sanft und mild. Unserer Mutter viel ähnlicher als der Rest von uns.
    Â»O Mattie! Darf ich’s raussuchen? Darf ich?« bettelte Beth. Sie kletterte von ihrem Stuhl und lief ins Wohnzimmer. Dort bewahrte ich mein kostbares Wörterbuch auf, gemeinsam mit den Büchern, die ich mir von Charlie Eckler und Miss Wilcox lieh, der Waverly Ausgabe der »Beliebtesten Amerikanischen Klassiker« meiner Mutter und ein paar alten Exemplaren des
Petersons Magazins,
die meine Tante Josie uns geschenkt hatte, weil in der Kolumne des Herausgebers behauptet wird, es sei »eine der wenigen tauglichen
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