Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
versuchte, der letzte zu sein.
    Trotzdem trafen sie alle rechtzeitig ein, um zu sehen, wie sich der Feuerball aus okkulter Potentialität durch die Decke des nächsten Zimmers brannte.
    »Argh!« stieß der jüngste Zauberer hervor und deutete auf den Boden.
    Der Raum hatte zur Bibliothek gehört – bis die Magie hindurchraste und alle Möglichkeitspartikel durcheinanderbrachte. Daher gab es guten Grund anzunehmen, daß sowohl die kleinen purpurnen Wassermolche als auch die Ananassoße zuvor Bücher gewesen waren. Und einige Zauberer schworen später, in dem Orang-Utan, der traurig und kummervoll inmitten des Chaos hockte, den Obersten Bibliothekar erkannt zu haben.
    Galder sah nach oben. »Zur Küche!« donnerte er, watete durch die Ananassoße und erreichte kurz darauf die nächste Treppe.
    Niemand fand heraus, wozu sich der große gußeiserne Herd verwandelt hatte, denn er war durch die Wand gebrochen und verschwunden, bevor die atemlosen Zauberer ins Zimmer stürmten und sich aus weit aufgerissenen Augen umsahen. Den fürs Gemüse zuständigen Koch entdeckte man nach einer Weile im Suppentopf, und er brabbelte unverständliche Dinge, wie zum Beispiel: »Die Haxen! Die gräßlichen Haxen!«
    Die letzten magischen Schwaden trieben weitaus träger als vorher durch die Decke.
»Zum Großen Saal!«
    In diesem Bereich war die Treppe wesentlich breiter und besser beleuchtet. Die in aromatischen Ananasduft gehüllten Zauberer keuchten, und die sportlicheren unter ihnen brachten die letzten Stufen hinter sich, als der Feuerball die Mitte der zugigen Kammer erreichte, die das Zentrum der Universität darstellte. Dort verharrte er reglos. Die einzigen Bewegungen stammten von kleinen Auswüchsen, die sich an der Oberfläche bildeten und leise zischten.
    Zauberer rauchen, wie jedermann weiß. Das erklärte vermutlich den Chorus aus asthmatischem Husten und Blasebalgschnaufen, der hinter Galder ertönte, als er versuchte, die Lage einzuschätzen. Und überlegte, ob er versuchen sollte, sich nach einem Versteck umzusehen. Er griff nach der Schulter eines ängstlichen Novizen.
    »Hol die Seher, Kristallschauer, Weitblicker, Rätseldeuter, Omenbefrager und Kaffeesatzleser aus den Betten!« wies er den Lehrling an. »Dieses Phänomen muß untersucht werden!«
    Irgend etwas formte sich im Innern des Feuerballs. Galder schirmte sich die Augen ab und beobachtete, wie der Schatten Konturen gewann. Ja, kein Zweifel: das Universum.
    Er war deshalb völlig sicher, weil er in seinem Arbeitszimmer ein entsprechendes Modell aufbewahrte, von dem alle meinten, es sei viel beeindruckender als das Original. Angesichts der Möglichkeiten, die Ihm Staubperlen und silbernes Filigran boten, hatte der Schöpfer nur ratlos mit dem Kopf geschüttelt.
    Doch das winzige Universum im Innern des Feuerballs wirkte unheimlich und… nun, echt. Es mangelte ihm nur an Farbe. Galder sah nichts weiter als transparenten, milchigen Dunst.
    Kurze Zeit später erkannte er Groß-A'Tuin, die vier Elefanten auf ihrem – oder seinem – Rücken, auch die Scheibenwelt. Sein gegenwärtiger Standort verwehrte ihm einen Blick auf die Oberfläche, was jedoch nichts daran änderte, daß alle Einzelheiten maßstabsgerecht nachgebildet waren. Er bemerkte eine winzige Reproduktion des Massivs Cori Celesti und erinnerte sich an die zänkischen und ein wenig kleinbürgerlichen Götter, die auf dem Gipfel des riesigen Gebirges wohnten, in einem Palast aus Marmor und Alabaster, gekleidet in völlig unmodische, dreiteilige Gewänder aus kitschigem Mokett, die sie in heiliger Geschmacksverirrung als ›Würdentracht‹ bezeichneten. Alle Bewohner der Scheibenwelt, die Wert auf Kultur legten, empfanden es als Ärgernis, daß das Kunstverständnis ihrer Götter nicht über singende Türklingeln hinausging.
    Das kleine Embryonenuniversum bewegte sich langsam, neigte sich zur Seite…
Galder versuchte zu schreien, aber er brachte keinen Laut von den Lippen.
Der Schatten dehnte sich zögernd, doch mit der unaufhaltsamen Schicksalhaftigkeit einer Explosion.
    Zuerst entsetzt und dann erstaunt sah er zu, wie ihn der Rand des Universums durchdrang, so mühelos wie ein Gedanke. Er streckte die Hand aus, und die geisterhaft blassen Schemen von Hügeln und Bergen glitten in geschäftiger Stille an seinen Fingern vorbei.
    Groß-A'Tuin, größer als ein Haus, war bereits im Boden versunken.
    Die Zauberer hinter Galder standen bis zu den Hüften in Seen. Wetterwachs bemerkte ein Boot, kleiner als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher