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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Autoren: Manuela Martini
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einladen,
    hierher nach Neumünster zu kommen, damit Sie sehen können, was mit Hilfe Ihrer
    Spenden geschaffen wurde.
    Inmitten des Kontinents, weit ab von
    Orten und Straßen, haben mutige Männer und Frauen versucht, den Eingeborenen,
    denen wir ihren Lebensraum geraubt
    haben, eine Zuflucht zu schaffen.
    Doch nun soll hier nach Gold gesucht
    werden, und damit ist nicht nur diese Zuflucht in Gefahr, sondern auch die
    Zukunft dieser Menschen. Denn wenn die letzten Orte, die sie mit ihrer
    Geschichte und ihren Vorfahren verbinden, zerstört werden, dann werden sie
    wurzellos herumirren, ohne Halt und ohne Zuversicht. Sie werden zugrunde gehen,
    und wir tragen die Schuld daran. Möge Jesus Christus uns den rechten Weg weisen
    und uns allen Stärke schenken, damit wir uns für unsere Nächsten
    einsetzen.
    Wir dürfen nicht zulassen, dass
    Habgier nach Reichtümern das Leben dieser Menschen zerstört.
    Hochachtungsvoll
    Ihre Emma Schott
    Neumünster, im Dezember 1922

    Sie las den Brief noch zwei Mal, und als sie und auch Robert
    nichts daran auszusetzen fanden, gingen sie hinaus und ließen ihn von allen mit
    ihrem vom Ruß des Feuers geschwärzten Fingerabdruck unterzeichnen. Der Brief
    sah eindrucksvoll aus, stellte Emma zufrieden fest. Mit den Fotografien von
    Robert würde er bei den Unterstützern der Missionsgesellschaft hoffentlich
    seine Wirkung nicht verfehlen.
    Später, der Mond war
    schon lange aufgegangen, eine silbrige Scheibe, die die Landschaft in ein
    fremdartiges Licht tauchte, standen Emma und Robert auf der Veranda. Vor Emma
    tauchten die Bilder jener Nacht wieder auf, in der sie sich zum ersten Mal so
    nah gewesen waren. Obwohl sich die äußeren Umstände geändert hatten, fühlte sie
    sich nicht frei. Etwas in ihr warnte sie davor, eine Grenze zu überschreiten
    ...
    „Wie lange ist es her,
    dass Sie Musik gehört haben?“, fragte Robert unvermittelt. Erstaunt sah sie ihn
    an. „Na?“ Er lächelte. Die Flamme der Kerosinlampe tanzte in seinen braungrünen
    Augen. Sie dachte kurz an das Willkommensfest in Tanunda, als die Musikgruppe
    ihnen zu Ehren aufspielte, doch dann wurde die Erinnerung verdrängt von den
    Abenden auf der Britannia mit Paul. Der salzige Geruch des Ozeans stieg
    ihr wieder in die Nase, sie hörte den Bug zischend durch die Wellen pflügen,
    sie sah das Mondlicht auf dem Wasser schimmern. Wie hoffnungsvoll hatte alles
    angefangen, dachte sie und konnte ein Seufzen nicht unterdrücken.
    „Sie weinen ja“, sagte er.
    „Ach, nein“, sagte sie rasch, „es ist nur ...“ Sie suchte nach den passenden
    Worten, doch da legte er den Finger auf ihre Lippen. „Psst, nicht weiterreden.
    Machen Sie die Augen zu.“ Sie sah ihn fragend an.
    „Bitte, nur kurz, und
    bleiben Sie da stehen. Ich bin gleich wieder zurück.“ Sie schloss die Augen.
    Was hatte er vor? Ihr Herz klopfte aufgeregt, und noch immer spürte sie seinen
    Finger auf ihren Lippen. Sie atmete tief den Duft der Nacht ein und lauschte
    dem Knacken der Äste, dem Wispern der Blätter, den entfernten Stimmen bei den
    Hütten, bis sie wieder seine Schritte hörte. Offenbar stellte er etwas auf den
    Tisch. Dann vernahm sie ein Knacken, als drehe sich eine Kurbel, gefolgt von
    einem schleifenden Geräusch.
    „Und jetzt die Augen
    auf!“ Musik begann zu spielen. Emma erblickte ein Grammophon und die sich
    drehende Platte. Schon nach den ersten Takten erkannte sie die Musik. Caruso
    sang eine Arie aus La Bohème . Ihre Mutter liebte Opern, und schon
    vor dem Krieg hatten sie ein Grammophon und zwei Platten von Enrico Caruso
    besessen.
    „Ach, Robert“, konnte sie nur noch hervorbringen. Erinnerungen
    überfielen sie, doch bevor sie weinen konnte, lächelte er sie an und sagte:
    „Ich bin zwar ein miserabler Tänzer, aber ...“ Er sprach nicht weiter, sondern
    nahm sie in die Arme, und sie ließ es zu ... Wie sehr hatte sie sich danach
    gesehnt, nach einer Berührung! Sie ließ sich halten, und plötzlich war ihr, als
    sei alle Last von ihr genommen. Carusos Stimme erfüllte die Nacht, und sie war
    glücklich, einfach glücklich ...
    Als die Musik zu Ende
    war, blieb Robert stehen und sah ihr ernst in die Augen. Noch nie hatte er sie
    so angesehen. „Emma“, sagte er fast flüsternd: „Werden Sie meine Frau.“ Das
    Licht der Lampe auf dem Verandatisch erhellte eine Hälfte seines Gesichts. Von
    seinen Augen konnte sie nur den dunklen Glanz wahrnehmen. Was sollte sie
    erwidern? „Ich meine es ernst, Emma.“
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