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Das letzte Sakrament

Das letzte Sakrament

Titel: Das letzte Sakrament
Autoren: Thomas Kowa
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Geschichte. Heutzutage zeigten Verliebte einander ihre ewige Treue, in dem sie kleine Vorhängeschlösser an die metallenen Ornamente der Engelsbrücke hängten. Es war ein schönes Bild, wenngleich manche mit Zahlenschlössern Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Versprechens aufkommen ließen. Ahnte überhaupt irgendjemand von diesen Unwissenden, welche Funktion die Brücke nur fünfhundert Jahre zuvor innegehabt hatte?
    Damals war sie kein Ort der Liebe gewesen. Wahrlich nicht. Sie war Verkehrsweg gewesen, aber auch Hinrichtungsstätte. Selbst einige Päpste hatten auf dieser Brücke die aufgespießten Köpfe ihrer Gegner zur Schau gestellt. An manchen Tagen, so hieß es in den alten Schriften, seien dort mehr Köpfe zu sehen gewesen als Melonen auf den römischen Märkten.
    Das war finsterstes Mittelalter, hörte er seine Gegner rufen. Aber warum hatte der Vatikan dann noch bis 1870 Menschen hingerichtet und die Todesstrafe erst 1969 abgeschafft?
    Doch das war Geschichte. Die Kirche hatte sich gewandelt. Und sie würde sich weiter wandeln, über Grenzen hinaus. Niemand konnte sich das heute vorstellen, und doch würde es geschehen.
    Der Professor zog den Vorhang wieder zu, ging zu dem Jungen, nahm ihn auf den Arm und strich ihm durch die schwarzen Haare. Es war schon merkwürdig. Als Molekularbiologe konnte er so viel verändern, er hatte so viele Gene identifiziert und ihnen bestimmte Funktionen zugeordnet, aber seine eigenen Haare mussten grau bleiben. Wenn er sie nicht färbte. Was er getan hatte, denn wer wollte schon mit fünfundvierzig aussehen wie Caesar?
    Ein blonder Vater und ein schwarzhaariger Junge. Das fiel heute gar nicht mehr auf. Zum Glück, denn bald mussten sie an die Öffentlichkeit, ins grelle Scheinwerferlicht der Fernsehkameras. Dieser kurze Moment würde ausreichen, um alles ins Rollen zu bringen. Das Schneeflöckchen namens Wahrheit würde zu einer Lawine anwachsen und alles mit sich reißen, das nicht auf seinen Grundfesten erbaut worden war.
    Der Mann, der ihnen dabei helfen würde, hieß Roger Simovic. Ein Reporter, ehrgeizig, mutig und wahnsinnig genug, um sich auf die Story einzulassen. Und er arbeitete bei BIGNEWS, dem weltweit operierenden Nachrichtensender mit über zwei Milliarden potenziellen Zuschauern. Bald war es so weit. Dann würde er auf Sendung gehen.
    Das Spiel würde beginnen.
    Der Professor setzte den Jungen wieder auf den Boden. Dann nahm er noch einmal die Bibel und blätterte darin. Schnell hatte er gefunden, was er gesucht hatte. »Du wirst in Gefahr geraten«, sagte er zu dem Jungen. »Unsere Gegner sind stark, und sie schrecken nicht vor Gewalt zurück.« Er setzte sich an den Tisch und tippte die Worte, die er soeben gefunden hatte, in seinen Laptop. Danach klappte er das Buch zu und stellte es zurück in das Bücherregal. Dann sah er auf den Bildschirm und las die Verse laut vor:
    Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig, und er ließ in Bethlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten, genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte.
    Matthäus 2,16

7
    »Wusstest du, dass die Jesuiten im siebzehnten Jahrhundert nur Mitglieder aufgenommen haben, die mehr als fünf Generationen lang judenfrei waren?« Beat Deckert hob den Zeigefinger. »Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«
    Pandera nickte, doch so richtig war er nicht bei der Sache. Gestern hatten sie bis spät in die Nacht gearbeitet, Befragungen geführt und Berichte geschrieben. Und obwohl er gegen zwei Uhr nachts übermüdet nach Hause gekommen war, hatte es noch ewig gedauert, bis er endlich eingeschlafen war. Lag es daran, dass sie mit ihren Ermittlungen bisher kaum vorangekommen waren?
    Bis zum Nachmittag hatten sie mit allen Mitarbeitern von SEQUENZA 46 gesprochen, doch eine Spur oder ein Motiv hatten sie nicht gefunden. Vielleicht war an der Geschichte mit dem Turiner Grabtuch doch etwas dran?
    Wenn jemand bei der Basler Polizei Ahnung von dem Grabtuch hatte, dann Beat Deckert. Doch darüber schien der erst einmal nicht reden zu wollen.
    »Ist dir bekannt, dass es in der Schweizer Verfassung einen Jesuitenartikel gab, der dem Orden jegliche Tätigkeit im Land untersagte?«, dozierte Deckert. »Und das dieser Artikel erst 1973 aufgehoben wurde?«
    »Ich … ich hatte keine Ahnung«, antwortete Pandera, der sich schon wieder fühlte wie ein Schuljunge.
    Die Tür öffnete sich, und Tamara Aerni kam
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