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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll
Autoren: Chuck Palahniuk
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»... ermordet, und wenn ihr noch so reich und angesehen seid...«
    »Sehen Sie«, sagt sie. »Da ist Ihr Herd. Genau wo Sie g e dacht haben.« Und sie tritt zurück und gibt ihm die kleine Tasche n lampe wieder.
    Jeder Bauunternehmer, erklärt Misty ihm, signiert seine Arbeit. Markiert sein Territorium. Innenausstatter schreiben auf den U n terboden, bevor sie das Parkett oder die Teppichunterlage verl e gen. Sie schreiben an die Wände, bevor sie Tapeten oder Kacheln anbringen. Das gibt es in jedem Haus, diese Aufzeichnungen, Bilder, Gebete, N a men. Daten. Eine Zeitkapsel. Man könnte da ja auch viel Schlimmeres finden, Bleirohre, Asbest, giftigen Schi m mel, schadhafte Stromleitungen. Hirntum o re. Zeitbomben.
    Ein Beweis, dass keine Investition einem für immer g e hört.
    Was du gar nicht wirklich wissen willst - aber nicht zu verge s sen wagst.
    Angel Delaporte drückt sein Gesicht an das Loch und liest: »... ich liebe meine Frau und ich liebe mein Kind . ..« Er liest: »... ich werde nicht zusehen, wie ihr miesen Schmarotzer meine Familie immer tiefer in den Dreck tr e tet...«
    Er lehnt an der Wand, sein Gesicht verzerrt an das Loch g e presst, und sagt: »Diese Handschrift ist enorm au s drucksstark. Wie er den Buchstaben F schreibt, in >nie einen Fuß< oder >me i ne Familie<. Der obere Strich ist so lang, dass er das ganze Wort überragt. Das bedeutet, in Wirklichkeit ist er ein sehr liebevoller, fürsorglicher Mensch.« Er sagt: »Sehen Sie das k in >Dreck    Angel Delaporte bohrt sein Gesicht in das Loch und sagt: »... Waytansea Island wird sämtliche Kinder Gottes töten, wenn u n sere eigenen dadurch gerettet werden können . ..«
    Er sagt, das große I , so dünn und spitz geschrieben, bedeute, dass Peter einen wachen, einen scharfen Verstand habe, aber T o desangst vor seiner Mutter.
    Seine Schlüssel klirren, während er mit der kleinen Tasche n lampe in dem Loch herumstochert und vorliest: »... ich habe mit deiner Zahnbürste in meinem dreckigen Arschloch herumg e tanzt...«
    Er ruckt mit dem Gesicht von der Tapete weg und sagt: »Ja, das ist mein Herd.« Er trinkt den Wein aus, spült ihn dabei verneh m lich im Mund herum. Dann schluckt er und sagt: »Ich hab doch gewusst, dass in meinem Haus eine Küche war.«
    Die arme Misty, sie sagt, es tue ihr Leid. Sie werde die Tür wi e der aufreißen lassen. Mr. Delaporte wird sich am Nachmi t tag wahrscheinlich die Zähne reinigen lassen. Das, und vie l leicht eine Tetanusimpfung. Vielleicht auch eine mit Gammaglobulin.
    Mr. Delaporte berührt mit einem Finger einen großen feuc h ten Fleck neben dem Loch in der Wand. Er hebt das Weinglas an den Mund, schielt hinein und findet es leer. Der dunkle feuchte Fleck auf der blauen Tapete, er berührt ihn. Dann macht er ein böses Gesicht, wischt sich den Fi n ger am Bademantel ab und sagt: »Ich kann nur hoffen, dass Mr. Wilmot sehr gut vers i chert ist.«
    »Mr. Wilmot liegt seit einigen Tagen bewusstlos im Kranke n haus«, sagt Misty.
    Er zieht eine Schachtel Zigaretten aus der Bademanteltasche, schüttelt eine heraus und sagt: »Also leiten Sie jetzt seine U m baufirma?«
    Und Misty lacht bemüht. »Ich bin die fette alte Schla m pe«, sagt sie.
    Und der Mann, Mr. Delaporte, sagt: »Pardon?«
    »Ich bin Mrs. Peter Wilmot.«
    Misty Marie Wilmot, das originale zänkische Miststück höchs t persönlich. Sie sagt: »Ich habe im Hotel Waytansea gea r beitet, als Sie heute Morgen angerufen haben.«
    Angel Delaporte starrt nickend sein leeres Weinglas an. Das Glas, verschwitzt und voller Fingerabdrücke. Er hält das Wei n glas zw i schen ihnen beiden hoch und sagt: »Soll ich Ihnen was zu trinken holen ?«
    Er sieht nach der Stelle, wo sie ihr Gesicht an seine Esszimme r wand gedrückt hat, wo sie eine Träne vergossen und seine blau gestreifte Tapete verschmiert hat. Ein feuchter Abdruck ihres A u ges, der Krähenfüße um ihr Auge: ihr Orbicularis oculi hinter Gi t tern. Die noch immer nicht angezündete Zigarette in einer Hand, nimmt er den weißen Frotteegürtel in die andere und reibt an dem Tr ä nenfleck. Und er sagt: »Ich gebe Ihnen ein Buch mit. Es heißt Graphologie. Handschriftendeutung.«
    Und Misty, die wirklich gedacht hat, im Wilmot-Haus, auf den sechs Hektar an der Birch Street werde sie glüc k lich leben bis ans Ende ihrer Tage, sie sagt: »Möchten Sie vielleicht ein Haus für den Sommer mieten?« Sie sieht nach seinem
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