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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich
Autoren: Bernard Cornwell
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Kampf gegen die Männer von Defnascir im Morgengrauen. Wir werden ihnen zusetzen, dass sie wie Weiber schreien, sie töten und sie in ihre dänische Hölle schicken.» Darin erschöpfte sich mein Aufruf zur Schlacht. Ich hätte mehr sagen sollen, war aber allzu nervös, weil ich als Erster und allein den Hügel hinabsteigen musste. Ich musste meinen Kindheitstraum vom Schattenwandler verwirklichen. Leofric und Edor würden die Hundertschaft erst dann in Bewegung setzen, wenn sie die Dänen zur Anlegestelle hasten sähen, und falls ich die Schiffe nicht würde in Brand setzen können, bliebe der Angriff aus, Odda bekäme es erneut mit der Angst zu tun, die Dänen würden ihre Überlegenheit ausspielen, Wessex würde fallen und England wäre verloren. «Ruht euch aus», sagte ich zum Schluss. «Bis zur Dämmerung ist es noch eine Weile.»
    Ich ging hinter den Wall zurück, wo Pater Willibald auf mich zukam und mir sein Kruzifix vors Gesicht hielt, das er aus dem Schenkelknochen eines Ochsen geschnitzt hatte. «Möchtet Ihr Gottes Segen empfangen?», fragte er mich.
    «Lieber hätte ich Eure Kutte, Pater», antwortete ich, worauf er seinen dunkelbraunen, wollenen Umhang mit Kapuze ablegte und mir über die Schulter warf, sodass er mein glänzendes Kettenhemd verbarg. «Und wenn es hell wird, Pater, möchte ich, dass Ihr hier bleibt. Als Priester seid Ihr dort unten fehl am Platz.»
    «Im Gegenteil. Es werden Männer sterben und meinen Beistand nötig haben», entgegnete er.
    «Wollt Ihr denn schon morgen zum Himmel auffahren?»
    «Nein.»
    «Dann bleibt hier», sagte ich schroffer als beabsichtigt, denn ich fühlte mich wie auf glühenden Kohlen. Die Zeit drängte. Bis zur Dämmerung war es zwar noch lange, aber ich würde den Rest der Nacht brauchen, um mich an den dänischen Wachposten vorbei zu schleichen. Leofric begleitete mich bis an den Wall über dem Nordhang, der im Schatten des Mondes lag. Es war außerdem die am spärlichsten bewachte Seite des Hügels, da sich an ihrem Fuß nur Sumpf und das Wasser der Saefern- See ausbreitete . Ich gab Leofric meinen Schild und sagte: «Den brauche ich nicht. Er behindert mich nur.»
    Er legte mir seine Hand auf den Arm. «Du bist wirklich rotzfrech, Earsling, hab ich Recht?»
    «Ist das ein Fehler?»
    «Nein, Herr», antwortete er und betonte die hohe Form der Anrede. «Gott sei mit dir», fügte er hinzu, «welcher Gott auch immer.»
    Ich tastete nach Thors Hammer und steckte ihn unter mein Kettenhemd. «Beeil dich mit den Männern, sobald du das erste Schiff brennen siehst.»
    «Wir kommen, so schnell es das Moor zulässt», versprach er mir.
    Ich hatte die Dänen das sumpfige Gelände bei Tage überqueren sehen und bemerkt, dass der Boden zwar tief, aber doch einigermaßen begehbar war. «Ihr werdet schnell vorankommen», sagte ich und zog die Kapuze über den Helm. «Es ist Zeit», sagte ich.
    Leofric schwieg. Ich stieg über den Wall und sprang in den Graben dahinter. Jetzt sollte ich also werden, was ich immer schon hatte sein wollen, ein Schattenwandler. Aus einem Kindheitstraum wurde ein Spiel auf Leben und Tod. Um mein Glück zu beschwören, umfasste ich das Heft von Schlangenhauch, dann stieg ich aus dem Graben und schlich gebückt den halben Hügelhang hinab. Von dort aus wand ich mich bäuchlings wie eine Schlange durch das Gras, auf eine Lücke zwischen zwei heruntergebrannten Feuern zu.
    Die Dänen schliefen oder dösten vor sich hin. Ich sah sie vor den niedergebrannten Feuern sitzen und war, aus dem Hügelschatten heraus gekrochen, nun auch selbst im
    Mondlicht zu erkennen und ungeschützt, weil das Gras von Schafen abgefressen war. Aber ich bewegte mich wie eine Spukgestalt, ein auf dem Bauch kriechender Geist, lautlos, ein Schatten auf der Weide. Die Wachposten hätten sich nur umzuschauen oder zwischen den Feuern entlangzugehen brauchen, aber sie hörten nichts, rechneten mit nichts und sahen nichts. Es dauerte eine Ewigkeit, um an ihnen, die an einer Stelle kaum zwanzig Schritt von mir entfernt waren, vorbeizukommen. Als ich sie endlich hinter mir gelassen hatte, boten mir die hohen Grasbüschel am Rand des Moors genügend Deckung, sodass ich schneller vorankam. Tief gebückt, watete ich so schnell wie möglich durch Schlick und seichtes Wasser, bis ich vor Schreck zusammenfuhr, als ein aufgescheuchter Vogel mit lautem Schrei und schwirrenden Flügeln aus seinem Nest flatterte. Auch die Dänen hörten das Tier und starrten in meine Richtung. Also hielt
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