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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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nehme seine Hand. »Lass den Bolzen stecken! Wenn du ihn herausziehst, wirst du verbluten!«
    Jibril schließt die Augen und nickt schwach.
    Prospero kniet sich neben mich und betrachtet den Schwerverletzten. »Ist das Jibril?«
    »Ja.«
    »Ich dachte, er verfolgt dich.«
    »Nein, er hat nicht versucht, mich zu töten. Er hat mir sogar das Leben gerettet.«
    »Es tut mir so leid.«
    »Schon gut. Hilf mir, ihn aufzurichten. Sonst erstickt er an seinem Blut. Die Lunge ist getroffen.«
    Ein Bewaffneter mit Helm und Harnisch hockt sich hinter Jibril in den Schnee und packt ihn unter den Achseln und richtet ihn auf. Als ich ihn fragend ansehe, nimmt er seinen Helm ab und wirft ihn neben sich in den Schnee. »Prospero hat mir gesagt, du hättest das Gedächtnis verloren.«
    Ich nicke.
    Er streckt mir die Hand entgegen. »Kardinal Ludovico Scarampo, Camerlengo der Kirche, Regent von Rom und Leibarzt Seiner Heiligkeit. Wir beide sind seit Jahren eng befreundet. Für dich bin ich Ludovico.«
    Endlich einmal jemand, der mir sagt, wer er ist. Und wie er zu mir steht.
    »Kannst du Jibril retten?«
    »Wenn du es wünschst.«
    Ich ergreife Jibrils kalte Hand und drücke sie ermunternd. Mitleid und Trauer schnüren mir die Kehle zu, und ich muss schlucken. »Ja, das will ich. Rette ihn!«
    Kardinal Scarampo richtet sich auf und ruft: »Meinen Medikamentenkasten! Il più presto possibile!«
    Um uns herum brandet ein Tumult auf, als die Eskorte des Papstes mit Schwertern und Hellebarden die herangeloppierenden Johanniter aufhält. Waffen scheppern, Pferde wiehern und schnauben, Sattelzeug knarzt, und Schnee spritzt auf.
    Flatternd öffnet Jibril die Lider und blinzelt mich durch die Schneeflocken auf seinen Wimpern an. »… skandra …«, haucht er.
    Ich drücke seine Hand. »Ich bin bei dir.«
    Ein weißer Papstornat taucht neben mir auf, während Kardinal Scarampo seine Medikamententruhe öffnet und Prospero einen aufgerollten Wundverband in die Hand drückt.
    Der Kommandant von Atri kniet demütig im Schnee und küsst den vorgestreckten Reitstiefel des Papstes. Ich kann nicht alles verstehen, was Tommaso Parentucelli ihm zu sagen hat, aber so viel ist sicher: Seine Heiligkeit tobt vor Zorn.
    Nachdem er den Johanniter mit scharfen Worten zurechtgewiesen hat, kommt er mit gerafftem Ornat zu mir herübergestapft. Steifbeinig kniet er sich neben mich in den Schnee und schließt mich herzlich in seine Arme. »Alessandra!«
    »Tommaso!« Erschöpft lehne ich meinen Kopf an seine Schulter.
    »Ich bin so glücklich, dass du lebst!« Er wiegt mich sanft hin und her. »Ich habe geweint, als Prospero mir erzählt hat, dass er dich in der Abtei gesehen hat.«
    »Wieso bist du hier?«, nuschele ich in den roten Samt der Mozzetta.
    »Mein Tross ist kurz vor Aquila von einem Trupp Bewaffneter überfallen worden, um meinen Pontifikalornat und meine Mitra zu erbeuten. Wir sind den Spuren gefolgt und haben Prospero getroffen, der uns im Schneesturm entgegenkam. Auf dem Höhenweg oberhalb des Lago di Provvidenza, stell dir vor! Als wäre es göttliche Vorsehung! Prospero hat mir gesagt, was in der Abtei geschehen ist.«
    »Ich habe das Mandylion gerettet.«
    Tommaso Parentucelli lässt mich los, und ich ziehe das gefaltete Linnen hervor. Ich habe das Mandylion unter meinem Hemd getragen, seit ich die leere Ikone in der Werkstatt wieder mit Leim versiegelt hatte.
    Plötzlich herrscht eine tiefe Stille. Ein Kardinal, den ich nicht erkenne, tritt neben den Papst und bekreuzigt sich. Ist es Alonso de Borja? Und der hochgewachsene junge Mann an seiner Seite, ist das sein Neffe Rodrigo, Galceráns Cousin?
    Kardinal Orsini – ihn erkenne ich sofort! – kommt zu mir herüber, rafft die Purpursoutane, hockt sich neben mich in den Schnee und legt mir die Hand auf die Schulter. »Ich trauere mit dir um Cesare!«
    »Danke, Latino.«
    »Contessa Colonna Orsini.« Er lächelt matt. »Ich wollte es nicht glauben, als Kardinal Isidor mir erzählte, dass du Cesare nach all den Jahren doch noch geheiratet hast.«
    Latino deutet hinüber zu Isidor von Kiew, der mir freundschaftlich zunickt. Das letzte Mal haben wir uns in der Nacht vor der Eroberung gesehen, als er Cesare und mich in der Hagia Sophia getraut hat.
    »Deine Ehe mit Cesare ist ein Zeichen der Versöhnung zwischen den Colonna und den Orsini«, murmelt Latino, und er wirkt gerührt, denn seine Lippen sind verkniffen, während er tief durchatmet. »Prospero und ich, wir haben uns die Hand gereicht,
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