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Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)

Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)

Titel: Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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Städte, sind niemals als das wahre Urbild dieses Volksstammes betrachtet worden. Sie wurden durch geordnete und friedliche Beschäftigungen milder und verloren durch den Verkehr mit den Fremden viel von dem ursprünglichen Gepräge. Jemen wurde auch wiederholt feindlich angefallen und unterjocht, da es zugänglicher war als die übrigen Theile Arabiens und den Räubern größere Versuchung bot.
    Bei der andern Classe der Araber, bei den Wanderern der Wüste, bei den »Bewohnern der Zelte«, welche die bei weitem zahlreichste Classe bildeten, wurde der volksthümliche Charakter in der ganzen ursprünglichen Stärke und Frische bewahrt. Nomadisch in ihren Sitten, hirtenmäßig in ihren Beschäftigungen und durch Erfahrung und Ueberlieferung mit allen verborgenen Hülfsmitteln der Wüste bekannt, zogen sie von einem Platze zum andern, um jene Wasserbehälter und Quellen aufzusuchen, welche seit den Tagen der Patriarchen der Sammelpunkt ihrer Väter gewesen waren, schlugen das Lager überall auf, wo sie Dattelbäume zum Schatten, Unterhalt und Weide für ihre Schafe und Kameele finden konnten und änderten den Wohnplatz, wenn der zeitweilige Vorrath erschöpft war.
    Die nomadischen Araber waren durch Abtheilungen und Unterabtheilungen in unzählige kleine Stämme geschieden; jeder hatte seinen Sheikh (Scheik) oder Emir als Stellvertreter des ehemaligen Patriarchen, dessen neben dem Zelte aufgepflanzte Lanze das Zeichen der Herrschaft war. Sein Amt war jedoch, obgleich es viele Zeitalter hindurch in derselben Familie blieb, nicht ausdrücklich erblich, sondern hing von der Gunst des Stammes ab. Er konnte abgesetzt und ein Anderer aus einer von dieser verschiedenen Linie an seine Stelle gewählt werden. Dazu war seine Gewalt beschränkt und wurde von seinem persönlichen Verdienste und dem auf ihn gesetzten Vertrauen abhängig gemacht. Sein Vorrecht bestand in der Leitung der Verhandlungen über Krieg und Frieden, in der Führung des Stammes gegen den Feind, in der Wahl des Lagerplatzes und in dem Empfange und der Unterhaltung angesehener Fremden. In Ausübung dieser und ähnlicher Vorrechte sogar wurde er durch die Meinungen und Neigungen seiner Leute beschränkt.
    Wie zahlreich und klein die Abtheilungen eines Stammes immer sein mochten, so wurden doch die verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander sorgfältig im Gedächtnisse bewahrt. Alle Sheikhs desselben Stammes erkannten ein gemeinsames Oberhaupt an, welches der Sheikh aller Sheikhs genannt wurde. Dieser hatte das Recht, bei irgend einem das gemeinsame Wohl betreffenden Ereignisse alle zerstreuten Zweige unter seiner Standarte zu versammeln, gleichviel ob er in einem Felsenschlosse verschanzt war, oder mitten unter seinen Schaf-und Rinderheerden in der Wüste lagerte.
    Die Menge dieser wandernden Stämme, von denen jeder einen kleinen Fürsten und ein kleines Gebiet hatte, die aber ohne ein Nationaloberhaupt waren, erzeugte häufige Streitigkeiten. Rache zumal war fast ein religiöser Grundsatz unter ihnen. Einen getödteten Verwandten zu rächen, war die Pflicht seiner Familie, und oft erforderte es die Ehre seines Stammes; oft blieben diese Blutschulden Zeitalter hindurch ungesühnt und erzeugten tödtliche Fehden.
    Die Nothwendigkeit, zur Vertheidigung der Schafe und Rinder stets in Bereitschaft zu stehen, machte den Araber der Wüste mit der Handhabung der Waffen von Kindheit an vertraut. Keiner übertraf ihn im Gebrauche des Bogens, der Lanze, des krummen Säbels und in der geschickten und anmuthigen Lenkung des Rosses. Er war auch ein raubsüchtiger Krieger. Denn obwohl er zu Zeiten in den Dienst des Kaufmanns trat, indem er ihn mit Kameelen und Führern und Treibern zum Transporte der Waaren versah: so war er noch geneigter, der Karavane Tribut (Abgaben) aufzulegen oder sie bei dem beschwerlichen Zuge durch die Wüste gänzlich auszuplündern. Dieses Alles betrachtete er als einen rechtmäßigen Gebrauch der Waffen, indem er auf die gewinnreichen Söhne des Handels als wie auf ein geringeres Geschlecht blickte, welches sich durch verwerfliche Sitten und Bestrebungen erniedrigt hätte.
    Das war der Araber der Wüste, der Bewohner der Zelte, an welchem die prophetische Bestimmung seines Urahnen Ismael erfüllt wurde. »Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn (1. Mos. 16, 12). Die Natur hatte ihn für diese Bestimmung ausgerüstet. Sein Körper war dünn und mager, aber sehnig und behend und fähig, große
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