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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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Mom. »Miranda kommt mit.«
    »Und warum darf ich nicht mit?«, quengelte Jon.
    »Weil du durch deinen Algebra-Test gerasselt bist«, sagte Mom.
    Schon komisch. So lange, wie ich hier schon eingesperrt bin, müsste ich doch überglücklich sein, endlich mal rauszukommen, und sei es nur in die Stadt. Aber es macht mir Angst.
    Was, wenn da keiner mehr ist?
    2. Mai
    Mom wollte, dass Matt und ich heute Morgen frühstücken. Sie sagte, Jon und sie würden später etwas essen. Alle wussten, was das bedeutete: Jon würde etwas essen, und Mom würde es vergessen.
    Wir beschlossen, die Räder zu nehmen. Dann konnten wir fahren, wo es ging, und würden eben schieben, wo nicht. Letzten Sommer sind wir oft mit dem Rad in der Stadt gewesen. Aber ich habe es dann irgendwann gelassen, weil ich Angst bekam vor dem, was ich dort vielleicht sehen würde. Und nach dem Schneesturm konnte man sowieso nicht mehr Rad fahren.
    Ein Großteil der Strecke ist asphaltiert, doch an manchen Stellen hatten Regen und Tauwasser eine Eisschicht gebildet, so dass wir absteigen und schieben mussten. Wir sind beide mehr als ein Mal ausgerutscht und hingefallen. Zum Glück haben wir uns nichts gebrochen. Dafür ist man heute schon dankbar: ohne Knochenbrüche irgendwo anzukommen.
    »Vielleicht hat das Rathaus gar nicht geöffnet«, sagte ich zu Matt. »Ich glaube, die machen nur freitags auf.«
    »Dann fahren wir Freitag eben noch mal hin«, sagte Matt. »Wenn dann immer noch zu ist, müssen wir uns was anderes überlegen.«
    »Dann müssen wir fortgehen«, sagte ich. »Sollten wir vielleicht sowieso tun. Eine Schule finden, wo Jon Algebra lernen kann.«
    »Mom möchte, dass wir so lange wie möglich hierbleiben«, sagte Matt.
    »Ohne Lebensmittel geht das aber nicht«, wandte ich ein.
    »Das weiß ich auch«, erwiderte Matt.
    »Tut mir leid«, sagte ich, aber eigentlich tat es mir überhaupt nicht leid. Manchmal denke ich, Matt und Mom entscheiden sowieso alles allein, und was ich denke, ist ihnen völlig egal. Ich frage mich, wann die beiden überhaupt noch Zeit finden, sich in verschwörerischem Flüsterton über meine Zukunft zu unterhalten, wo wir doch Tag und Nacht im selben Raum zusammenhocken. Aber offenbar tun sie es. Und wenn sie schon mal dabei sind, besprechen sie bestimmt auch noch Jons Zukunft in Mathe.
    »Ich weiß nicht, ob ich Moms Ansicht teilen soll«, sagte Matt. Das war seine Art, sich bei mir zu entschuldigen. »Aber falls wir uns tatsächlich entscheiden wegzugehen, sollten wir lieber bis zum Sommer warten.«
    Sommer, das war früher eine Zeit mit viel Blau, Gelb und Grün. Jetzt bedeutet es wahrscheinlich nur etwas weniger Grau. Und weniger Knochenbrüche. Wenn man seine Ansprüche weit genug runterschraubt, ist ›grauenhaft‹ plötzlich nur noch ›ziemlich mies‹.
    »Wo würden wir denn hingehen?«, fragte ich. »Habt ihr das schon mal besprochen?«
    »Nach Pittsburgh«, sagte Matt. »Fürs Erste jedenfalls. Soweit wir wissen, ist das die nächstgelegene Stadt, die noch halbwegs intakt ist.«
    »Meinst du, es gibt noch Städte, in denen alles in Ordnung ist?«, fragte ich. »Ich weiß, kalt und grau ist es überall, aber vielleicht gibt es ja noch Orte, wo die Leute genug zu essen haben. Und Strom und fließend Wasser. Heizung. Schulen. Krankenhäuser.«
    »Und 24-Stunden-Pizza-Service«, sagte Matt. »Wennschon, dennschon.«
    »Ich wette, dass es die noch irgendwo gibt«, sagte ich. »Städte für Politiker, reiche Leute und Stars.«
    »Selbst wenn, kommen wir da sowieso nicht rein«, sagte Matt. »Aber in Pittsburgh leben jedenfalls noch Menschen. Wenn alle Stricke reißen, können wir uns dort niederlassen.«
    Mom hört fast jeden Abend den Radiosender aus Pittsburgh, deshalb wissen wir über diese Stadt mehr als über irgendeine andere. Meist werden nur die Listen der Toten verlesen, aber manchmal reden sie auch über Lebensmittelausgaben, Ausgangssperren und Notstandsgesetze.
    Auch wenn’s albern klingt, aber wir sehen echt furchtbar aus. Völlig abgemagert und alles an uns ist grau: Gesicht, Hände, Kleidung. Egal, wie oft wir uns waschen. Eine ganze Stadt voller Leute, die so aussehen wie wir, klingt eher nach einem Horrorfilm.
    »Haben wir überhaupt genug Vorräte?«, fragte ich. »Wenn wir heute nichts mehr kriegen und, sagen wir, morgen losgehen müssten, würden unsere Vorräte dann bis Pittsburgh reichen? Das sind doch mindestens dreihundert Kilometer.«
    »Fast fünfhundert«, sagte Matt. »Aber wir hätten eh
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