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Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Das Leben, das uns bleibt (German Edition)

Titel: Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
Autoren: Susan Beth Pfeffer
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zurück.
    »Wir müssen Eimer rausstellen«, sagte Mom. »Schüsseln. Töpfe. Alles, worin man Wasser auffangen kann.«
    Wir rasten durchs Haus und suchten zusammen, was wir an Behältern finden konnten. Beim Rausstellen wurden wir zwar patschnass, und sehr viel Wasser sammelte sich auch nicht darin, aber als wir es dann in zwei großen Töpfen zusammenschütteten, sah es doch schon etwas beeindruckender aus.
    »Meint ihr, es regnet jetzt wieder öfter?«, fragte Jon, nachdem wir uns abgetrocknet und die Handtücher im Wintergarten auf die Leine gehängt hatten.
    »Neulich nachts hat es schon mal geregnet«, sagte ich.
    Alle starrten mich an. Ich wusste nicht, ob das gut oder schlecht war.
    »Das Geräusch hat mich geweckt«, erklärte ich.
    »Das hättest du uns sagen müssen«, meinte Mom. »Dann hätten wir Eimer rausstellen können.«
    »Daran hab ich gar nicht gedacht«, sagte ich. »Ich hatte schlecht geträumt, davon bin ich aufgewacht und hab den Regen gehört. Oder vielleicht bin ich auch vom Regen aufgewacht. Ich weiß nicht mehr.«
    Mom seufzte. Es war ihr ›Miranda wird wohl nie erwachsen werden und begreifen, dass sie mir Bescheid sagen muss, wenn es regnet, damit ich Töpfe und Schüsseln rausstellen kann, um Wasser aufzufangen und uns allen das Leben zu erleichtern‹-Seufzer.
    »Was denn?«, fragte ich. »Es hat geregnet. Ich hab euch nicht geweckt. Dann hat’s aufgehört. Jetzt regnet’s wieder, und keiner weiß, ob es nicht für den Rest unseres Lebens weiterregnet, bis wir alle ins Meer gespült werden.«
    »Was passiert, wenn der Regen den Schnee tauen lässt, und danach hört es auf zu regnen?«, fragte Jon. »Wo kriegen wir dann Wasser her?«
    »Wenn der Schnee taut, läuft der Brunnen wieder voll«, sagte Mom. »Solange die Rohre nicht einfrieren, ist das gut für uns.«
    »Fließendes Wasser«, sagte ich. »Wenn’s Strom gibt, könnten wir auch mal wieder die Waschmaschine benutzen.«
    »Schon verrückt«, sagte Mom. »Früher haben wir das alles für selbstverständlich gehalten. Wasser. Strom. Sonnenschein.«
    »Sonnenschein haben wir immer noch nicht«, wandte Matt ein. »Und auf den Strom ist kein Verlass. Auf das Wasser übrigens auch nicht.«
    Mom warf einen Blick auf die beiden Töpfe mit Regenwasser. »Es ist trotzdem ein gutes Zeichen«, sagte sie. »Ein Zeichen, dass es wieder aufwärtsgeht.«
    28. April
    Gestern Nachmittag fing es wieder an zu regnen und hat seitdem nicht mehr aufgehört. Ein schwerer, gleichmäßiger Regen.
    Mom beschloss, das zu feiern, indem sie Jon und mich spontan einen Mathe-Test schreiben ließ.
    Jon hat seinen verhauen, und Mom wurde ziemlich sauer.
    »Was soll das alles?«, fragte Jon. »Wozu brauch ich denn jetzt noch Algebra?«
    »Irgendwann werden die Schulen wieder öffnen«, sagte Mom. »Wenn alles sich ein bisschen normalisiert hat. Und um darauf vorbereitet zu sein, musst du jetzt deinen Stoff lernen.«
    »Das passiert doch sowieso nicht«, sagte Jon. »Und wenn tatsächlich noch mal irgendwo eine Schule aufmacht, dann bestimmt nicht hier auf dem Land. Hier ist doch kaum jemand übrig.«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Mom. »Niemand weiß, wie viele Leute sich hier, so wie wir, verschanzt haben, um auf bessere Zeiten zu warten.«
    »Wenn’s hier wirklich noch Menschen gibt, dann lernen die aber bestimmt kein Algebra«, sagte Jon.
    29. April
    Ich bin in Moms Zimmer rauf, um mir etwas zum Lesen zu holen. Meine eigenen Bücher habe ich schon so oft gelesen, dass ich jede beliebige Seite auswendig aufsagen könnte.
    Fühlt sich jedenfalls so an.
    Mom liest gern Biografien, aber die fand ich noch nie besonders interessant, und seit den Ereignissen letztes Jahr erst recht nicht mehr. Klar, Maria Stuart hat den Großteil ihres Lebens im Gefängnis verbracht und wurde dann geköpft – aber im Vergleich zu mir hatte sie’s ja wohl echt gut. Oder musste sie etwa jeden Tag Vulkanasche einatmen?
    Ein Gutes haben diese Biografien immerhin: Ich habe sie noch nicht gelesen. Jedenfalls nicht alle und auch nicht alle bis zum Schluss. Und da ich nicht mehr in eine Buchhandlung oder Bücherei gehen kann, um mir neuen Lesestoff zu besorgen, wollte ich oben bei Mom danach suchen.
    Mom erwartet von uns, dass wir unsere Zimmer so sauber wie möglich halten, auch wenn wir sie kaum benutzen. Ich bemerkte sofort, dass hier nirgends ein Stäubchen lag, weder auf den Möbeln noch auf den Büchern. Ich zog ein Buch aus dem Regal, um herauszufinden, ob es mich auch nur
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