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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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einmal.
    Die Pfirsichblüte am Ende des Winters, wenn der sich nähernde Frühling den Obstbäumen entlang der Rhône Blütenköpfe aufsteckt, bedeutete den Neuanfang in der Provence. Max und Vic hatten sich diese weißrote Blütenzeit ausgesucht, um zu heiraten. Zwölf Monate hatte sie ihn werben lassen, bevor sie ihm einen Kuss gewährte – aber von da an war es schnell gegangen.
    Wenig später erschien Max’ erstes Kinderbuch: Der Zauberer im Garten. Ein Heldenkinderbuch.
    Es hinterließ ein verdutztes Feuilleton, verstörte Eltern und begeisterte Kinder und Teenager, die sich darüber amüsierten, wie sehr das Buch ihre Erziehungsberechtigten in Rage versetzte.
    Es forderte nämlich auf, alles in Frage zu stellen, was Erwachsene unter »das macht man nicht!« verstanden.
    Catherine hatte nach ausgiebiger Suche, die sie und Jean kreuz und quer durch die Provence geführt hatte, ein Atelier gefunden. Der Raum war dabei nie das Problem gewesen, aber sie wollte ein Land ringsherum, das exakt ihrer beider Seelenlandschaft entsprach. Sie fanden schließlich eine Scheune neben einem entzückenden, leicht heruntergekommenen provenzalischen Bauernhaus zwischen Sault und Mazan. Rechts ein Lavendelfeld, links ein Berg, vorn freie Sicht auf Wein und den Mont Ventoux. Hinten ein Obstbaumwäldchen, durch das ihre Katzen Rodin und Nemirowsky streiften.
    »Es ist, als käme ich nach Hause«, hatte Catherine Jean erklärt, als sie genussvoll den Großteil ihres Scheidungsbonus beim Notar hinterlegte. »Als hätte ich mein ewiges Haus am Ende eines verschlungenen Wegs wiedererkannt.«
    Ihre Skulpturen waren fast doppelt so hoch wie Menschen. Es war, als sähe Catherine Wesen im Stein eingesperrt, als könne sie durch die unbehauenen Quader hindurch bis auf ihre Seele schauen, ihre Rufe hören, ihr Herz schlagen fühlen. Und dann begann Catherine, diese Wesen freizuklopfen.
    Es waren nicht immer Geschöpfe, die gut gelitten waren.
    Der Hass. Die Not. Die Nachsicht. Der Seelenleser.
    Moment!
    Tatsächlich. Da hatte Catherine zwei Hände aus einem bananenkistengroßen Kubus geholt, die etwas mit den Fingern nachformten. Lasen sie, streichelten sie, tasteten diese suchenden, findenden Hände Wörter ab? Wem gehörten sie? Griffen sie heraus, oder tasteten sie sich hinein?
    Hielt man das Gesicht an den Stein, meinte man, dass in einem eine verborgene, vermauerte Tür aufging. Eine Pforte … zu einem Zimmer?
    »Jeder Mensch hat ein inneres Zimmer, in dem seine Dämonen lauern. Erst wenn er es öffnet und sich ihnen stellt, ist er frei«, sagte Catherine.
    Jean Perdu sorgte dafür, dass es ihr gutging, ob in der Provence oder in Paris, wenn sie beide in seiner alten Wohnung in der Rue Montagnard wohnten.
    Er achtete darauf, dass Catherine gut aß und gut schlief und ihre Freundinnen traf und ihre Traumgespinste morgens verlor.
    Sie schliefen oft miteinander, immer noch in dieser konzentrierten Langsamkeit. Er kannte alles an ihr, jede perfekte, jede unperfekte Stelle. Er streichelte und liebkoste jede unperfekte, bis ihr Körper ihm glaubte, dass sie für ihn die Schönste war.
    Neben einem Halbtagsjob in der Buchhandlung in Banon ging Perdu auf die Jagd. Während Catherine in Paris oder auf dem Hof allein ihrer Bildhauerei nachging, Kurse gab, Kunst verkaufte, feilte, schliff, korrigierte – schürfte er nach den aufregendsten Büchern der Welt. In Schulbibliotheken, in Nachlässen knorriger Studienräte und geschwätziger Obstbäuerinnen, in vergessenen Tresorkellern und kargen, selbstgebauten Bunkern aus dem Kalten Krieg.
    Begonnen hatte Perdus Handel mit einmaligen Büchern mit einem Faksimile des handgeschriebenen Manuskripts von Sanary, das auf verschlungenen Wegen in seinen Besitz gelangt war. Samy hatte darauf bestanden, dass ihr Pseudonym geschlossen blieb.
    Bald fand sich, mit der Hilfe der Auktionsprotokollantin Claudine Gulliver aus dem dritten Stock der Rue Montagnard No. 27, ein solventer Sammler für das einzigartige Werk.
    Doch als Perdu so weit ging, ihm das Buch nur nach einer Art Herzensprüfung zu verkaufen, entstand sein Ruf als exzentrischer Bücherliebhaber, der Bücher nicht an jeden weitergab, nur weil Geld im Spiel war. Manchmal bewarben sich Dutzende Sammler um ein Buch, aber Perdu wählte jenen aus, der ihm als Geliebter, Freund, Lehrling oder Patient des jeweiligen Werks am besten erschien. Das Geld war Nebensache.
    Perdu reiste von Istanbul bis Stockholm, von Lissabon bis Hongkong und fand die
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