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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Nina George
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Sanary sei und wie das Manuskript in seinen Besitz gekommen war.
    Also recherchierte Monsieur Perdu weiter.
    Seit zwei Jahrzehnten analysierte er Sprachtempo, Wortwahl und Satzrhythmus, verglich Stil und Sujet mit anderen Autorinnen und Autoren. Perdu hatte es auf elf mögliche Namen gebracht: sieben Frauen, fünf Männer.
    Er hätte sich gern bei einem von ihnen bedanken wollen.
    Denn Sanarys Südlichter war das Einzige, was ihn berührte, ohne ihn zu verletzen. Südlichter zu lesen war eine homöopathische Dosis Glück. Es war die einzige Sanftheit, die Perdus Schmerzen linderte, ein kühler kleiner Bach auf der verbrannten Erde seiner Seele.
    Es war kein Roman im klassischen Sinne, sondern eine kleine Geschichte über die verschiedenen Arten der Liebe. Mit wundersamen, erfundenen Worten und durchdrungen von einer großen Lebensfreundlichkeit. Die Melancholie, in der darin von der Unfähigkeit erzählt wurde, jeden Tag wirklich zu leben, jeden Tag als das zu begreifen, was er war, nämlich einzigartig, unwiederholbar und kostbar – oh, diese Schwermut war ihm so vertraut.
    Nun reichte er Jordan seine letzte Ausgabe.
    »Lesen Sie das. Drei Seiten, jeden Morgen, im Liegen vor dem Frühstück. Es soll das Erste sein, das in Sie eindringt. Nach ein paar Wochen werden Sie sich nicht mehr so wund fühlen. Nicht mehr so, als müssten Sie mit Ihrer Schreibblockade Buße tun, nur weil Sie Erfolg hatten.«
    Max sah ihn durch die Melonen erschrocken an. Dann platzte es aus ihm heraus: »Woher wissen Sie das? Ich kann das Geld und diese verfluchte Hitze des Erfolgs wirklich nicht ertragen! Ich wünschte, es wäre alles nicht passiert. Wer etwas kann, wird eh gehasst, aber nicht geliebt.«
    »Max Jordan, wenn ich Ihr Vater wäre, würde ich Sie jetzt übers Knie legen für diese dummen Worte. Es ist gut, dass Ihr Buch passiert ist, und es hat jeden Erfolg verdient, jeden einzelnen hart erkämpften Cent.«
    Jordan glühte auf einmal vor stolzer, verlegener Freude.
    Was? Was habe ich gesagt? ›Wenn ich Ihr Vater wäre ‹.
    Max Jordan hielt Perdu feierlich die Galiamelonen hin. Sie dufteten. Ein gefährlicher Geruch. Sehr nahe dran an einem Sommer mit ***.
    »Essen wir zu Mittag?«, fragte der Schriftsteller.
    Der Kerl mit den Ohrenschützern ging ihm zwar auf die Nerven, aber er hatte schon lange nicht mehr mit jemandem zusammen gegessen.
    Und *** hätte ihn gemocht.
    Als sie die Melonen in Stücke geschnitten hatten, hörten sie schicke Absätze auf der Gangway klappern.
    Dann stand die Kundin vom Morgen in der Kombüsentür. Ihre Augen waren verweint, aber ihr Blick war klar.
    »Einverstanden«, sagte sie. »Her mit diesen Büchern, die nett zu mir sind, und scheiß was auf die Typen, denen ich egal bin.«
    Max blieb der Mund offen stehen.

6
    P erdu rollte die Ärmel seines weißen Hemdes hoch, kontrollierte den Sitz seiner schwarzen Krawatte, zückte seine Lesebrille, die er seit neuestem benötigte, und geleitete die Kundin mit einer ehrerbietigen Geste zu dem Herz seiner literarischen Welt: den Lesesessel mit Fußbank und Blick auf den Eiffelturm durch die zwei Meter hohe und vier Meter breite Fensterfront. Natürlich auch mit einem Abstelltischchen für Handtaschen – Monsieur Perdus Mutter Lirabelle hatte ihn gestiftet. Und daneben ein altes Klavier, das Perdu zweimal im Jahr stimmen ließ, obgleich er selbst nicht spielen konnte.
    Perdu stellte der Kundin, sie hieß Anna, einige Fragen.
    Beruf, morgendliche Abläufe, das Lieblingstier ihrer Kindheit, Alpträume der letzten Jahre, zuletzt gelesene Bücher … Und ob ihre Mutter ihr gesagt hatte, was sie anziehen soll.
    Fragen, die intim, aber nicht zu intim waren. Es galt, diese Fragen zu stellen und dann eisern zu schweigen.
    Schweigend zuhören war die Basis für die Grundvermessung der Seele.
    Anna arbeitete in der Fernsehwerbung, erzählte sie.
    »In einer Agentur mit Kerlen jenseits des Haltbarkeitsdatums, die Frauen mit einer Kreuzung aus Espressomaschine und Sofa verwechseln.« Sie stellte sich jeden Morgen drei Wecker, um sich aus ihrem brachialen Tiefschlaf zu lösen. Und duschte heiß, um sich vorzuwärmen für die Kälte des Tages.
    Sie hatte als Kind eine Vorliebe für Plumploris gehabt, eine geradezu aufreizend bequeme Kleinaffenart mit ständig feuchter Nase.
    Anna trug als Kind am liebsten kurze, rote Lederhosen, was ihre Mutter entsetzte. Sie träumte häufig, nur mit einem Unterhemd bekleidet vor wichtigen Männern im Treibsand zu versinken. Und alle,
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