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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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den Gegebenheiten abfinden müssen. Und das wird er, Becky, ganz bestimmt.«
    »Hoffentlich hast du recht. Das dauert jetzt schon lange genug, und jedes Mal, wenn er im Busch verschwindet, wird alles wieder aufgerührt. Dabei muss ich es allmählich hinter mir lassen – und neu anfangen.«
    Gwyneth betrachtete ihre Enkelin liebevoll. »Dann mach das. Du bist noch jung, und Ben Freeman scheint ein guter Mann zu sein.«
    Rebecca wurde rot. »Woher weißt du das mit Ben?«
    Gwyneth kicherte. »Ich mag zwar in die Jahre kommen, aber ich bin weder blind noch taub. Mir ist aufgefallen, dass er regelmäßiger in der Stadt auftaucht – und dann die Art, wie du mit ihm umgehst.«
    »Ich gehe lieber wieder«, sagte Rebecca, deren Wangen noch immer rot waren. »Dad ist geschafft, weil er die ganze Nacht auf war, und Mum hat heute Nachmittag noch ein paar Hausbesuche zu erledigen. Außerdem gibt’s noch etliches für Dannys Geburtstagsfeier vorzubereiten. Wenn du den Lümmel siehst, dann richte ihm aus, er soll seinen kleinen Hintern nach Hause bewegen, sonst muss er die Konsequenzen tragen.«
    Gwyneth schaute ihrer Enkelin nach, strich sich dann die grauen Haarsträhnen aus dem verschwitzten Gesicht, rieb die schmutzigen Hände an der Hose ab und zerrte am Saum ihrer weiten Baumwollbluse. Sie hatte nie großen Wert auf schicke Kleidung oder Make-up gelegt; hier draußen war es praktisch und bequem, feste Stiefel und alte, vom häufigen Gebrauch verschlissene Sachen zu tragen. Gwyneth schmeckte das Kupfer in der Luft, sie spürte die Hitze und Schwüle des heraufziehenden Gewitters – nicht nur in der Natur, sondern auch innerhalb ihrer Familie.
    In sorgenvolle Gedanken über Rebeccas unglückliche Lage vertieft nahm sie ihren Gehstock und einen breitkrempigen Hut und stieg vorsichtig die Verandastufen hinunter, um den Rest ihrer Menagerie zu versorgen.
    Der Hühnerauslauf und die Voliere waren im Schatten der Bäume am hinteren Rand des Gartens angelegt worden, wo der Busch allmählich auf das Grundstück übergriff und die frei lebenden Ziegen grasten. Neben dem Auslauf befanden sich Gehege für die verletzten und verwaisten Tiere, die man Gwyneth ständig brachte. Tagtäglich war sie mehrere Stunden damit beschäftigt, die Gehege zu reinigen und sich um die Tiere zu kümmern.
    Sie hatte dort einen Papagei mit einem gebrochenen Flügel, zwei verwaiste Opossums, mehrere Echsenarten mit unterschiedlichen Verletzungen, ein Felskänguru, das sich von einem hässlichen Abszess erholte, und einen jungen Wombat, der ungewöhnlicherweise in der langen Dürrezeit geboren worden war. Er wäre verhungert, hätte Gwyneth ihn nicht in der aufgegebenen Erdhöhle gefunden.
    Den Papagei würde sie bald freilassen können. Die Opossums gediehen. Die Echsen schliefen in ausgehöhlten Ästen; es war kaum zu erkennen, wie es ihnen ging. Der Abszess des kleinen Felskängurus heilte gut ab. Gwyneth nickte zufrieden, schaute sich um und stellte fest, dass Wally, der junge Wombat, aus der Erdhöhle ausgerissen war, die sie unter der Veranda für ihn angelegt hatte. Zweifellos war er irgendwo in der Nähe und hatte Flausen im Kopf – genau wie Danny.
    Sie fütterte die Hühner und stand im Schatten der ausladenden Bäume, genoss die kurze Erholung von der Sonne und betrachtete ihre Umgebung. Morgan’s Reach mochte zwar abgelegen sein, die Bevölkerung weit verstreut, aber es war eine verschworene Gemeinschaft, die unter zwei Weltkriegen schwer gelitten hatte.
    Zwei Generationen junger Australier waren dem Ruf an die Waffen aus England gefolgt – dem Land, das sie noch immer als ihr »Mutterland« ansahen. In dem festen Glauben, dass sie ihr gewohntes Zuhause vorfinden würden, wenn alles vorbei wäre, hatten die Männer sich freiwillig zur Armee gemeldet, darauf erpicht, zu kämpfen und ihren Mut unter Beweis zu stellen. Die Farmen blieben den Frauen überlassen und den Aborigines, die das Vieh für sie hüteten, sowie allen, die zu alt, zu jung oder für den Kriegsdienst untauglich waren. Doch viele der Soldaten waren nicht zurückgekehrt, so wie Rebeccas Mann Adam und Amy Blakes Mann John, und dieser Verlust war für alle noch immer schmerzlich.
    Die inzwischen gewohnte Traurigkeit überfiel Gwyneth, doch sie ließ sie nicht lange zu, denn damit half sie niemandem. Stattdessen richtete sie die Aufmerksamkeit auf eine fernere Vergangenheit. Morgan’s Reach war gewachsen, seit sie vor vielen Jahren mit Rhys hergekommen war. Gwyneth verzog
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