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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Doch das war nicht nötig gewesen. Die meisten Patienten würde man am nächsten Tag bereits entlassen. Froh, dass diese es nach ihrem Mittagessen bequem hatten, ließ Rebecca sie in Ruhe vor sich hin dösen und trat hinaus auf die Veranda.
    Die Hitze flimmerte über dem breiten Feldweg, die stehende Luft war von einem scharfen Geruch nach Kupfer durchsetzt, der ein schweres Gewitter ankündigte. Eukalyptusbäume welkten an dem fast trockenen Wasserloch, die Vogelstimmen waren verstummt, und die Sonne brannte auf die Wellblechdächer und das gelbe Gras hernieder. Seit mehr als drei Jahren hatte es keinen nennenswerten Regen mehr gegeben. Die Wahrscheinlichkeit einer Feuersbrunst wuchs von Tag zu Tag, und die Betreiber der entlegenen Rinder- und Schaffarmen hatten Mühe, Futter und Wasser für ihren schwindenden Viehbestand aufzutreiben.
    Rebecca öffnete den oberen Knopf ihres blau-weiß gestreiften Kleides, erleichtert, dass sie keine gestärkten Kragen und Manschetten tragen musste, wie es während ihrer Ausbildung in Sydney Pflicht gewesen war. Sie warf einen prüfenden Blick auf die Uhr, die an ihren Schürzenlatz gesteckt war, und betrachtete die dunklen Wolken, die sich im Westen auftürmten, sowie die verlassene Straße, die sich durch die kleine Ansiedlung zog. Von Danny war keine Spur zu entdecken, obwohl sie ihm unmissverständlich befohlen hatte, gegen zwölf wieder zu Hause zu sein. Unter diesen Umständen, dachte sie finster, läuft er Gefahr, seine morgige Geburtstagsfeier zu verpassen.
    Gereizt kaute sie auf ihrer Unterlippe, denn ihr fiel ein, dass er sich am Morgen geweigert hatte, ihr zuzuhören, als sie ihm erneut zu erklären versucht hatte, dass sein Vater Adam tot sei und keinerlei Hoffnung auf seine Heimkehr bestehe. Danny war davongestürmt und hatte die Fliegengittertür hinter sich zugeschlagen. Die Angewohnheit ihres Sohnes, immer wieder im Busch zu verschwinden, war beängstigend – nicht zuletzt wegen des Grundes, aus dem er es weiterhin tat. Sie hatte gehofft, dass er nun, da er ein Internat in Brisbane besuchte, aus seiner Besessenheit herauswachsen und erkennen würde, dass es sich um eine kindliche Phantasie handelte, die einer tiefen Sehnsucht entsprang. Aber offenbar hatte sich nichts geändert. Diese Schulferien würden demselben Muster folgen wie alle vorherigen.
    Rebecca hatte lange darüber nachgedacht, wie sie mit Danny umgehen solle. Sie war sogar die sechzig Meilen zur Killigarth-Farm im Norden gefahren, um sich bei ihrer besten Freundin, Amy Blake, Rat zu holen. Deren Lebensumstände ähnelten ihren eigenen sehr, denn auch Amy war Witwe. Ihr Mann John war genau wie Adam in Malaya umgekommen. Amy lebte bei ihren Eltern auf der Rinderfarm und hatte daher – ebenso wie Rebecca – die Liebe und Unterstützung ihrer Familie, die ihr in der schmerzhaften Trauerzeit und bei der Erziehung ihres Sohnes George beistand, der genauso alt war wie Danny. Doch selbst die kluge und freundliche Amy konnte nicht helfen, weshalb Rebecca sich manchmal sehr einsam fühlte.
    Ungehalten darüber, dass sie sich in Selbstmitleid erging, verließ Rebecca den Schatten der Veranda, schob die äußere Fliegengittertür auf und ging die Stufen hinunter ins grelle Sonnenlicht. Sie war an die Launen des Wetters im Outback gewöhnt, war sie doch in Morgan’s Reach geboren und aufgewachsen und hatte fast jedes ihrer dreißig Lebensjahre hier verbracht. Trotzdem war es traurig zu sehen, wie sehr die Dürre dem wunderschönen Garten ihrer Mutter zugesetzt hatte.
    Sie überquerte den welkenden Rasen, bemerkte, dass der alte Kleintransporter ihres Vaters an der Treppe zum Farmhaus abgestellt war, und schob sich durch die Fliegengittertür, die Veranda und Haus schützte. Seit ihrer Kindheit hatte sich nicht viel verändert, denn die Möbel waren schon immer angeschlagen, die Vorhänge und Teppiche durch die Sonne ausgebleicht gewesen, aber es war ihr Zuhause – ein Refugium, in das sie mit Danny zurückgekehrt war, als es Gewissheit wurde, dass Adam nicht aus dem Krieg heimkehren würde.
    Rebeccas Eltern, Hugh und Jane, saßen in der schäbigen Küche; die Reste ihres hastigen Mittagessens waren auf dem Tisch verteilt. Hugh wirkte erschöpft; er hatte dunkle Ränder unter den Augen, aber Jane wirkte in ihrer Schwesternuniform wie immer kühl und elegant.
    »Habt ihr Danny gesehen?«, fragte Rebecca.
    Hugh schüttelte den Kopf. »Ich bin gerade erst von der Waratah-Farm zurückgekehrt und unterwegs nicht
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