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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Autoren: Phil Rickman
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gefaltetes Blatt Papier. Jane faltete es auseinander und hielt es unter die Lampe. Sie sah eine grobe Strichzeichnung vor sich, mit dickem Filzstift gezeichnet, ein großes Haus und ein kleines Haus und dazwischen zwei Striche, die eine Straße andeuteten. Über dem großen Haus stand:
    PFARRHAUS
    Ein Pfeil, der in beide Richtungen wies, verband die beiden Häuser miteinander. Unter der Zeichnung stand:
    GLAUBST DU , DU FINDEST IM DUNKELN DEN WEG ?
    «Scheiße», sagte Jane. «Das ist ja ein Drohbrief.»
    Sie sah zu Lol hoch, der immer noch die Decke anstrich.
    Das war also das Problem, dachte Jane.
    Na ja, irgendein gemeines Arschloch gab es immer. Mom kam mit den meisten Leuten in Ledwardine aus, aber nicht alle waren dafür, dass es weibliche Pfarrer gab. Und mit Sicherheit waren von denen, die nichts dagegen hatten, nicht alle dafür, dass eine Geistliche eine intime Beziehung hatte, ohne verheiratet zu sein – als müsste die Geistlichkeit im Viktorianismus verharren.
    Das würde einer der Bereiche seines Lebens sein, von denen Lol dem
Q
-Magazin nichts erzählte.
    «Wer hat das geschickt?»
    «Ich glaube, das sollte im Dunkeln bleiben, Jane. Sonst wäre es vermutlich unterschrieben.»
    «Aber es ist eine Drohung. Ich meine, es ist bestimmt nur irgendein blöder Wichser, aber … Kann ich das behalten?»
    Lol kam die Leiter herunter und bückte sich unter dem Balken hindurch, der den Raum teilte.
    «Wozu?»
    «Vielleicht, um die Schrift zu vergleichen. Mit dem Schwarzen Brett von der Kirche oder der Tafel, an die man Gebete pinnen kann. Ich meine, es ist doch immer gut zu wissen, wer nicht dein Freund ist. Na ja …» – sie faltete das Blatt wieder zusammen –, «… es ist nichts, um das man sich Sorgen machen müsste.»
    Jane hob einen Lappen auf, wischte ein paar Flecken vom Steinboden und erinnerte sich an das erste Mal, als sie Lol gesehen hatte. Damals hatte er sich um den Laden von Lucy Devenish gekümmert,
Ledwardine Lore
. Lol hatte zwischen den Regalen voller apfelförmiger Kerzen hindurchgesehen wie eine Maus. Damals war er wirklich am Ende gewesen. Und Jane war damals fünfzehn, fast noch ein Kind. Jetzt stand sie kurz vor dem Abitur und der Führerscheinprüfung, und sie war keine Jungfrau mehr, und Mom und Lol waren irgendwie auf Probe zusammen.
    Und Lucy Devenish war tot.
    Das war immer noch schwer zu begreifen. Egal, welche Farbe die schiefen Wände hatten, dies war immer noch Lucys Haus. Und wenn man im Dunkeln hereinkam, konnte man sich Lucy vorstellen, wie sie in ihrem Poncho dastand, mit ausgebreiteten Armen.
    Die Leute aus London, die das Haus gekauft hatten, als es im Vorjahr zum ersten Mal auf den Markt gekommen war, hatten es wieder zurückgegeben, nachdem ihr fünfjähriges asthmatisches Kind gefragt hatte, wer die alte Frau auf der Treppe sei.
    Gruselig. Lucy war nicht gruselig gewesen, nicht wirklich. Respekteinflößend, das schon. Und vielleicht ein bisschen hexenhaft, im besten, ganz traditionellen Sinne, und …
    Okay, sie
war
ein bisschen gruselig gewesen. Aber sie hatte Lol gemocht und ihn unterstützt, als es nötig war, und für Jane war sie eine Art Mentorin gewesen und …
    … Und es war okay, dass Lol am Ende das Haus bekam. Alles war okay, für Lol und für Mom, die lange genug Witwe gewesen war. Gut, es war auch irgendwie lächerlich, dass Lol in diesem kleinen Häuschen lebte und Mom beinahe direkt gegenüber in dem riesigen Pfarrhaus mit sieben Schlafzimmern. Aber es war eine Zwischenlösung, die sicher funktionieren würde.
    Und Lucys Segen hätten sie gehabt. Lucy, die, obwohl sie tot war, irgendwie immer noch für Ledwardine sprach.
    Jane erschauderte und ließ es zu. Lol stellte die Farbwanne und die Rolle in die Spüle.
    «Wie wär’s, wenn du die Pommes holst?»
    «Lol, du Niete.»
    «Meine Brieftasche liegt auf dem Kaminsims.»
    Jane nahm einen Zehner heraus, steckte ihn hinten in ihre Jeans zu dem zusammengefalteten Zettel und schlüpfte in ihre Fleecejacke.
    «Dann lass ich dich mal kurz allein. Dich und Lucy.»
    Lol sagte: «Manchmal – hab ich dir das schon erzählt? –, manchmal spiel ich ihr einen neuen Song vor. Wenn er ihr gefällt, singt sie mit. Sie trifft zwar nicht immer den richtigen Ton, klingt natürlich auch ein bisschen heiser, aber man kann schließlich nicht –»
    Jane warf den Lappen nach ihm.

3  Kieselsteine
    Am nächsten Morgen, als Jane sich auf den Weg in die Schule gemacht hatte, rief Merrily Huw Owen an. Sie hatte
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