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Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Titel: Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
Autoren: Rebecca Gabl
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Jungfrauen in den Himmel kommen könnten. Dazu zählte seine Mutter eindeutig nicht, denn sie war verheiratet gewesen und hatte fünf Kinder geboren. Aber sie war ihm trotzdem immer als das vollkommenste aller Wesen erschienen, klug und schön und liebevoll. So hatte er sie jedenfalls in Erinnerung. Und als Bruder Philippus ihnen zum ersten Mal von der Sünde aller Frauen vorgelesen hatte, hatte Robin die ganze Nacht wachgelegen und gebetet, Gott möge bei seiner Mutter eine Ausnahme machen. Die Vorstellung, dass sie im ewigen Feuer der Hölle brennen könnte, jetzt und bis in alle Ewigkeit, hatte ihn ganz krank gemacht.
    Das war schon über vier Jahre her. Damals war er noch ein kleiner, leichtgläubiger Bengel gewesen und seine Mutter kurz zuvor gestorben. Heute glaubte er längst nicht mehr alles, was die Brüder ihnen auftischten. Trotzdem verspürte er ein leises Unbehagen. Er hatte den Anblick von Emma und Cuthbert nicht abstoßend gefunden. Im Gegenteil. Er hatte sich ein bisschen geschämt, weil er spionierte, weil er etwas ansah, das ganz gewiss nicht für fremde Augen bestimmt war. Aber was sie taten, erschien ihm nicht sündig. Lag es am Ende daran, dass er selbst sündig war? Sollte Bruder Anthony etwa doch recht haben, der jeden Tag wenigstens einmal behauptete, dass ihm, Robin, ein warmer Platz in der Hölle sicher sei?
    Er zog unbehaglich die Schultern hoch. „Und ich denke, Bruder Philippus und seine Gelehrten haben nicht recht. Es kann nicht Sünde sein. Warum sollte Gott es so eingerichtet haben, dass die Menschen in Sünde gezeugt werden? Heißt es nicht, er hat uns nach seinem Ebenbild geschaffen?“
    Lionel schüttelte entschieden den Kopf. „Du solltest die Bibelauslegung lieber denen überlassen, die sie verstehen und die das Wort Gottes nicht für ihre Zwecke verdrehen.“
    Sie waren wieder an der Mauer des Klosters angelangt. Robin kletterte auf den untersten Ast der Weide. „Schön, denk, was du willst. Aber wenn man dich hört, könnte man meinen, Oswin hat recht. Aus dir wird tatsächlich noch ein echter Klosterbruder.“
    Lionel sah ihn ärgerlich an. „Man muss kein Mönch sein, um gottesfürchtig zu sein und sich von der Sünde fernzuhalten.“
    Robin seufzte. „Vielleicht nicht. Aber wenn du glaubst, diese Geschichte hier beichten zu müssen, dann lass mich dabei aus dem Spiel, hörst du. Bring mich nicht in Schwierigkeiten mit deiner unbefleckten Heiligkeit.“
    Lionel presste die Lippen zusammen. „Manchmal fürchte ich um deine Seele, Robin.“
    Robin schwang sich über die Mauer. „Dann bete für mich, Mönchlein.“
    Als Bruder Bernhard am nächsten Morgen das Dormitorium betrat, seine misstönende Handglocke schwang und mit seiner rauen Bassstimme donnerte: „Gelobt sei Jesus Christus!“, sprangen dreißig Jungen im Alter zwischen sieben und vierzehn von ihren Lagern auf und erwiderten im Chor: „In Ewigkeit, Amen!“
    Nur Robin rührte sich nicht. Bruder Bernhard sah stirnrunzelnd zu ihm hinüber, aber ehe er herbeihinken konnte, um ihn mit einem gezielten Tritt auf die Beine zu bringen, hatte Lionel ihn am Ellbogen gepackt und halb hochgezerrt. „Aufstehen“, zischte er.
    Robin fuhr aus dem Schlaf auf, strampelte seine leichte Wolldecke zurück und kam stolpernd hoch. „In … Ewigkeit, Amen.“
    Bruder Bernhard brummte übellaunig und ging ohne Eile davon.
    Robin rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. „Ich wünschte, ich könnte nur ein einziges Mal so lange schlafen, bis ich von selbst aufwache.“
    „Müßiggang …“, begann Lionel mechanisch, und Robin winkte eilig ab.
    „Ich weiß, ich weiß. Aber die Sache hat auch eine andere Seite. Wer schläft, sündigt nicht, oder?“
    Lionel fiel keine überzeugende Erwiderung ein, und kurze Zeit später gingen sie nebeneinander in einem schweigenden, ordentlichen Zug mit den anderen Schülern zur Frühmesse. Lionel weckte Robin rechtzeitig für die Kommunion.
    Nach dem Frühstück, das wie jeden Morgen aus einem Stück hartem, dunklem Brot und einem Becher verdünntem Bier bestand, begaben sie sich zum Schulhaus. In der ersten Stunde hatten sie Rechenunterricht bei Bruder Bernhard. Robin vergaß für eine Weile, wie unausgeschlafen er war, obwohl er gerade diese Stunde auch im Halbschlaf mühelos hätte bewältigen können. Der Umgang mit dem Abakus barg für ihn schon lange keine Tücken mehr. Manchmal, wenn Bruder Bernhard guter Laune war, erzählte er Robin ein wenig über die Grundbegriffe der Geometrie,
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