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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth
Autoren: Martin Cruz Smith
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und feuerte die letzte Patrone der Nagant ab, obgleich seine Augen so geblendet waren, daß er kaum seine Hand, geschweige denn den Wagen sehen konnte. Die Scheinwerfer schwenkten zur Seite, wanderten über den Hof und erfaßten die Straße, die durch die Pferche zum Dorf führte. Die Rücklichter tanzten von Pfosten zu Pfosten, bis sie in der Ferne verschwanden.
    Mehr auf einem als auf zwei Füßen humpelte Arkadi zum Lastwagen. Sein Knie begann anzuschwellen. Als er sein Hemd aufknöpfte, sah er, daß sein Bauch mit Zementsplittern übersät war. Er wünschte, er hätte eine Zigarette. Er hatte schon oft in seinem Leben das Bedürfnis nach einer Zigarette gehabt, aber noch nie so stark wie in diesem Moment.
    Er knöpfte das Hemd wieder zu und zog seine Jacke an, dann nahm er den Zündschlüssel des Lasters an sich und schleppte sich zum Bunker, um die Tür zu schließen.
    Im letzten Widerschein des Feuers humpelte Arkadi über den Hof zu seinem Schiguli. Der Wagen sah mit seinen gähnenden Fenstern und den verbeulten Kotflügeln wie abgewrackt aus. Max hatte ihm gegenüber einen beträchtlichen Vorsprung, aber ein Schiguli war für russische Straßen wie geschaffen.
     
    Das Radio empfing keinen Sender. Arkadi hatte das Gefühl, quer durch die Antarktis zu fahren.
    Nur hätte er in der Antarktis mehr gesehen. Schnee reflektierte das Licht der Scheinwerfer, Kartoffelfelder schluckten es. Der Mensch braucht nicht nach schwarzen Löchern im Universum zu suchen, solange es Kartoffelfelder gibt.
    Als er die Hauptstraße erreicht hatte, war sein Knie so steif, daß er nicht mehr wußte, ob er das Getriebe einoder ausgekuppelt hatte.
    Die Ringstraße war eine Kette von Lichtern. Über der Stadt tupften Leuchtspurgeschoße den Himmel. Er versuchte erneut, einen Sender hereinzubekommen. Tschaikowski. Und eine Warnung, daß die Ausgangssperre in Kraft getreten war. Arkadi drehte das Radio ab. Die durch die zerbrochenen Scheiben strömende Luft gab ihm das Gefühl, wieder auf der Erde zu sein.
    Auf der Leningrader Chaussee standen gepanzerte Mannschaftswagen. Fußgänger wurden aufgehalten, Autos durften jedoch ungehindert passieren, so daß die Bürgersteige leer waren. Auf weiten Strecken waren die Straßen nur wenig befahren, dann tauchten Militärfahrzeuge auf, die sich langsam im Kreis zu bewegen schienen. Der Schiguli mit seiner aus den Scharnieren hängenden Tür zog keinerlei Aufmerksamkeit auf sich. Gerade in einer solchen Nacht schien Moskau eine Reihe konzentrischer Ringe zu sein, deren Lichter sich wie Sphären um einen leeren Raum schlossen.
    Metro und Busse hatten ihren Betrieb eingestellt, und immer wieder begannen Menschen aus der Dunkelheit aufzutauchen, einzeln oder in Gruppen von zehn oder zwanzig, alle nach Süden strebend. Während es an einer Straßenecke überhaupt kein Militär gab, trat es an der nächsten massiert auf. Im Presnaja-Distrikt war die Begowaja-Straße von Panzern versperrt, deren laufende Motoren in tiefe Gedanken versunken zu sein schienen. Reguläre Miliz war nicht zu sehen.
    Arkadi stellte den Wagen ab und mischte sich unter die Fußgänger. Männer und Frauen strömten zum Fluß. Einige kannten sich und begrüßten sich mit leisem Murmeln, doch die meisten waren still, als brauchten sie all ihre Kraft zum Gehen und als genügte der im Regen sich niederschlagende Atem, um miteinander zu kommunizieren. Niemand schien Arkadis blutiges Hemd zu bemerken. Zu seiner Erleichterung konnte er sein Knie jetzt wieder besser bewegen.
    Arkadi ließ sich mit der Menge treiben. Sie bewegte sich immer schneller voran, und schließlich fand er sich mit den anderen eine Straße hinunterlaufend, die am anderen Ende von dicht zusammenstehenden Armeelastwagen blockiert wurde. Aber die Segeltuchplane eines der Lastwagen wurde zurückgezogen, und die Menschen halfen einander, auf die Ladefläche zu steigen.
    Hinter den Lastwagen beschrieb die breite Uferstraße einen Bogen zwischen dem Fluß und dem Weißen Haus. Es war ein relativ neues Gebäude, ein vierstöckiger Marmorblock mit zwei Flügeln, vor denen sich Tausende von Menschen mit brennenden Kerzen in den Händen versammelt hatten. Arkadis Gruppe zog im Gänsemarsch zwischen den als Barrikade abgestellten Bussen und Bulldozern hindurch.
    Unterwegs fing er alle möglichen Gerüchte auf. Auf dem Roten Platz seien Panzer aufgefahren, um über den Kalinin-Prospekt zum Weißen Haus vorzurücken. Die Truppen der Aufrührer hätten vor dem Bolschoi Stellung
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