Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
nichts hinterlassen hat…«
    »Nein, nein, das ist es nicht.« Sie lächelte flüchtig. »Ich glaub dir schon, dass du mich auch nehmen würdest, wenn ich arm wie eine Kirchenmaus wäre. Großvater hat übrigens nie in seinem Leben einen Penny verloren.«
    »Was ist es denn dann?«
    »Es ist ganz einfach sein Tod. Weißt du, Charles, ich glaube… ja, ich glaube, er ist umgebracht worden.«
    Ich starrte sie an.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich bin nicht von selbst daraufgekommen. Der Arzt brachte mich darauf. Er wollte den Totenschein nicht ausstellen. Es wird eine Autopsie vorgenommen. Klar, dass man einen Verdacht hegt.«
    Sophia hatte genügend Verstand, dass man sich im Allgemeinen auf ihre Schlussfolgerungen verlassen konnte. Ernst sagte ich: »Der Verdacht kann sich als grundlos erweisen. Aber angenommen, er wäre gerechtfertigt, was hat das mit uns beiden zu tun?«
    »Es könnte unter gewissen Umständen unangenehm sein für dich. Vergiss nicht, du bist Diplomat. Die Frau eines Diplomaten wird immer aufs Korn genommen. Nein, bitte unterbrich mich nicht. Ich weiß, dass du zu mir stehen würdest, Charles. Doch ich habe meinen Stolz. Ich möchte nicht, dass unsere Ehe durch irgendetwas belastet wird, und ich will nicht, dass du meinetwegen ein Opfer bringst. Vielleicht ist alles in Ordnung…«
    »Meinst du, der Arzt könnte sich geirrt haben?«
    »Und hätte er sich nicht geirrt, so wäre es gleich, wenn die richtige Person ihn getötet hat.«
    »Was meinst du eigentlich, Sophia?«
    »Das war nicht besonders nett von mir. Aber man sollte immer ehrlich sein.« Sie kam meinen nächsten Worten zuvor. »Nein, Charles, ich sage nichts mehr. Ich habe schon zu viel gesagt. Aber ich war entschlossen, dich heute Abend zu treffen, um dir klar zu machen, dass wir nichts planen können, solange dieser Fall nicht gelöst ist.«
    »Erzähl mir doch wenigstens Näheres.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, Charles. Ich will nicht, dass du uns mit meinen Augen siehst. Du sollst uns als Außenseiter begegnen.«
    »Und wie kann ich das?«
    Mit einem seltsamen Licht in den glänzenden blauen Augen schaute sie mich an.
    »Mithilfe deines Vaters«, antwortete sie.
    In Kairo hatte ich Sophia erzählt, dass mein Vater Kommissar bei Scotland Yard war. »Steht es so schlimm?«
    Sie nickte.
    »Siehst du den Mann, der ganz allein neben der Tür sitzt? Ein ganz brav und zuverlässig aussehender Typ, nicht?«
    »Ja.«
    »Er stand heute Abend auf dem Bahnsteig von Swinly Dean, als ich in den Zug stieg.«
    »Du glaubst, er ist dir gefolgt?«
    »Ja. Wir stehen wohl alle unter Beobachtung. Man hat uns bedeutet, das Haus nicht zu verlassen. Aber ich wollte dich unbedingt treffen.« Sie streckte das energische Kinn vor. »Ich kletterte zum Badezimmerfenster hinaus und rutschte das Wasserrohr hinunter.«
    »Darling!«
    »Die Polizei ist sehr tüchtig. Sie wusste sicher über dein Telegramm Bescheid. Na, macht nichts… wir sind beisammen… Aber von nun an müssen wir getrennt marschieren.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Leider ist an unserer Liebe nicht zu zweifeln…«
    »Daran ist nicht im Geringsten zu zweifeln. Sei nicht unglücklich, Sophia. Wir haben einen Weltkrieg überlebt, wir sind dem Tod oft knapp entronnen, und ich sehe nicht ein, warum der Tod eines alten Mannes… wie alt war dein Großvater übrigens?«
    »Siebenundachtzig.«
    »Ach ja, es stand ja in der Zeitung. Wenn du mich fragst, er starb an Altersschwäche, das liegt doch auf der Hand.«
    »Wenn du meinen Großvater gekannt hättest«, sagte Sophia, »wärest du anderer Meinung!«

3
     
    V on jeher hatte mich die Arbeit meines Vaters interessiert; aber nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass ich daran je ein persönliches Interesse nehmen könnte.
    Ich hatte meinen Alten Herrn noch nicht gesehen. Bei meiner Ankunft war er nicht zuhause gewesen; doch als ich nach dem Zusammensein mit Sophia zurückkehrte, teilte mir Glover, unser Diener, mit, er sei in seinem Arbeitszimmer.
    Er saß an seinem Schreibtisch, vertieft in einen Haufen Akten. Bei meinem Eintritt sprang er auf.
    »Charles! Endlich!«
    Unser Wiedersehen nach fünf Kriegsjahren hätte einen Franzosen enttäuscht. In Wirklichkeit erlebten wir alle üblichen Gemütsbewegungen. Wir liebten uns sehr und verstanden einander recht gut.
    »Ich habe Whisky da«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich nicht zuhause war, als du ankamst. Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Bin gerade an einen teuflischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher