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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman
Autoren: Johannes Scharf
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Spiegel zu überprüfen, die, da konnte es draußen noch so stürmen, perfekt saß. Überhaupt sah sie wie immer umwerfend aus: zu ihrem in dunklen Blautönen gehaltenen Abendkleid, welches ihre ebenfalls blauen Augen und das mittelblonde Haar betonte, trug sie weiße Ballerina-Schühchen. Bald darauf klingelte es an der Türe, und durch die Freisprechanlage tönte es: „Hat hier jemand ein Mini-Car bestellt?“
    Sie spielte ein hervorragendes Konzert. Es war ein Auftritt, wie sie ihn noch niemals zuvor mit ihrem Orchester erlebt hatte. Der Saal des Kongreßzentrums Pforzheim war randvoll mit Besuchern. Alles war zu schön, um wahr zu sein. Sie konnte es kaum erwarten, ihren Eltern und ihrem Bruder, der sie wegen ihrem „Gefiedel“, wie das Geigenspiel von ihm genannt wurde, immer aufzog, von dem gelungenen Abend zu berichten. Da es aber erst elf Uhr war, als sie sich zu verabschieden anstellte, beschloß sie, statt eines Taxis den Bus zurück nach Niefern zu nehmen, was kostengünstiger war und ihr ohnehin angemessener erschien. Sie mußte zu der Haltestelle nur einige Hundert Meter zu Fuß gehen, aber es sollte eine folgenschwere, unheilschwangere Entscheidung sein, die sie getroffen hatte...

    Als sie in die steile Gasse zum Schloßberg bog, ganz in der Nähe des Amtsgerichtes, da wurde sie einer sechs- oder siebenköpfigen Gruppe von Halbwüchsigen gewahr, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf dem Gehsteig herumlungerten. Es handelte sich ausschließlich um junge Schwarze und zwei etwas hellere Gestalten, die sie im Mondlicht und auf zehn Meter Entfernung für Nordafrikaner hielt. Ein mulmiges Gefühl bemächtigte sich ihrer, das sie allerdings sofort zu unterdrücken suchte. „Bloß nicht so oberflächlich werden wie Dein Vater, Lucretia,“ dachte sie, „vielleicht sind das ganz nette Kerle.“ Sie faßte sich ein Herz, und mit der Absicht, ihren Instinkt Lügen zu strafen, ging sie weiter, Schritt um Schritt geradeaus. Sie war an dem Pulk schon beinahe vorbei und just im Begriffe erleichtert aufzuatmen, als zwei der Jugendlichen plötzlich herübereilten und sich ihr in den Weg stellten, während, diesen beiden auf dem Fuße folgend, die anderen sogleich den Rückweg versperrten, so daß es kein Entrinnen mehr zu geben schien.
    Fast blieb dem sechzehnjährigen Mädchen das Herz stehen, dann begann es zu rasen. Sie konnte das laute, gewaltige Pochen geradezu hören, denn es schlug ihr bis zum Halse, so viel Furcht und Hilflosigkeit fühlte sie in sich, und so viel Haß und finstere Entschlossenheit sah sie in den Visagen um sich herum. Die jungen Männer hatten sie vollständig eingekreist, gleich hungrigen Hyänen, die ihre Beute umstellen. Dunkle Augen blitzten sie unversöhnlich an, wohin sie ihre angsterfüllten blauen auch wandte. Keinen Strohhalm gab es mehr, an den sie sich noch hätte klammern können, als der Algerier direkt vor ihr sie anzischte: „Scheiß deutsche Schlampe, Du bist jetzt dran! Du bist Dreck unter unseren Fingernägeln!“

    Er versetzte ihr, wie um seinen Worten den gebührenden Nachdruck zu verleihen, eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Schluchzend bat Lucretia-Amalia die Jugendlichen, sie vorübergehen zu lassen, sie habe ihnen doch überhaupt nichts getan. Es war zwecklos. Der tiefschwarze Halunke rechts neben ihr machte sich bereits an ihrem Kleid zu schaffen. Ihr wurde übel bei dem Gedanken – und da fiel es ihr ein: sie hielt ja noch das Geigenetui in Händen!

    Sie witterte ihre letzte Chance und riß es im Augenblick hoch, um auf die vor ihr Stehenden einzuschlagen und sich ihren Weg freizukämpfen, doch schon, da sie den ersten Streich führen wollte, hieb von hinten jemand mit einem schweren, stumpfen Gegenstand so gewaltsam auf ihr Haupt ein, daß sie bewußtlos, gleichsam wie tot, zusammensackte. Acht Hände – vergleichbar Klauen von Raubtieren – packten das am Boden liegende Mädchen und schleiften es in eine dunkle Ecke, dann fiel das Rudel über das Opfer her. Die Heranwachsenden rissen ihr die Kleider vom Leib und vergewaltigten sie eine halbe Stunde lang auf offener Straße – ohne daß etwas oder jemand dazu imstande gewesen wäre, sie daran zu hindern, dem grausigen Spiel Einhalt zu gebieten. Das war Pforzheim, das war Europa im Jahr 2033...
    Es war schon taghell, als Lucretia-Amalia aus ihrer Bewußtlosigkeit erwachte. Sie war noch voller Blut. Am ganzen Körper fühlte sie Schläuche. Das Mädchen befand sich in einem Krankenhaus. In den
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