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Das Komplott (German Edition)

Das Komplott (German Edition)

Titel: Das Komplott (German Edition)
Autoren: John Grisham
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Jahre lang fuhr er auf den Straßen und Highways rund um Winchester Streife, und er liebte jede Minute davon. Er mochte die Arbeit an sich, die Aura von Autorität und Tradition, das Gefühl, Hüter des Gesetzes zu sein, die Möglichkeit, denen zu helfen, die in eine Notlage geraten waren. Er liebte seine Uniform, den Streifenwagen, alles, bis auf die Pistole an seinem Gürtel. Ein paarmal hatte er seine Waffe ziehen müssen, doch abgefeuert hatte er sie nie. Er ging immer davon aus, dass Weiße aufgebracht reagierten und Schwarze Nachsicht von ihm erwarteten, und war fest entschlossen, allen gegenüber fair zu sein. Er war ein strenger Polizist, für den die Gesetze keine Grauzonen hatten. War etwas nicht legal, dann war es mit Sicherheit illegal. Spielraum und juristische Feinheiten gab es für ihn nicht.
    Vom Moment meiner Festnahme an glaubte mein Vater, dass ich schuldig war, wegen irgendetwas. Dass man bis zu einer Verurteilung als unschuldig gilt, war ihm egal. Meine wortreichen Beteuerungen, unschuldig zu sein, waren ihm egal. Nachdem er ein Leben lang Polizist gewesen war, hatten die vielen Jahre, in denen er Gesetzesbrechern hinterhergejagt war, wie eine Art Gehirnwäsche gewirkt. Wenn das FBI mit seinen Ressourcen und seiner Weisheit der Meinung war, ich sei eine Anklageschrift mit hundert Seiten wert, dann hatte das FBI recht und ich unrecht. Ich bin sicher, dass er mich bedauert und darum gebetet hat, ich würde irgendwie aus diesem Schlamassel herauskommen, aber es fiel ihm schwer, das zuzugeben. Das Ganze war eine Demütigung für ihn, und das machte er mir gegenüber auch deutlich. Wie konnte sich sein Anwaltssohn nur auf einen Haufen schmieriger Gauner einlassen?
    Diese Frage habe ich mir selbst tausendmal gestellt. Es gibt keine gute Antwort darauf.
    Nachdem Henry Bannister die Highschool so gerade eben geschafft hatte, geriet er wegen ein paar Bagatelldelikten mit dem Gesetz in Konflikt und trat mit neunzehn Jahren ins Marine Corps ein. Die Marines machten im Handumdrehen einen Mann aus ihm, einen Soldaten, der nach Disziplin lechzte und stolz auf seine Uniform war. Er wurde dreimal nach Vietnam geschickt, wo er angeschossen wurde, Verbrennungen erlitt und für kurze Zeit in Gefangenschaft geriet. Seine Orden hängen in seinem Arbeitszimmer an der Wand, in dem kleinen Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Er lebt dort allein. Meine Mutter wurde zwei Jahre vor meiner Festnahme von einem betrunkenen Autofahrer getötet.
    Henry fährt einmal im Monat zu einem einstündigen Besuch nach Frostburg. Er ist im Ruhestand und hat nicht viel zu tun, daher könnte er, wenn er wollte, auch jede Woche kommen. Aber er will nicht.
    Eine langjährige Haftstrafe hat viele grausame Seiten. Eine davon ist das Gefühl, mit der Zeit von der Welt und denen, die man liebt und braucht, vergessen zu werden. Die Post, die in den ersten Monaten noch in dicken Bündeln eintraf, hat sich inzwischen auf ein, zwei Briefe in der Woche reduziert. Freunde und Familienangehörige, die früher anscheinend ganz wild darauf waren, mich zu besuchen, sind seit Jahren nicht mehr aufgetaucht. Mein älterer Bruder, Marcus, kommt zweimal im Jahr vorbei und bringt die Stunde Besuchszeit damit rum, mich über seine neuesten Probleme zu informieren. Er hat drei Kinder im Teenageralter, alle in unterschiedlichen Etappen der Jugendkriminalität, dazu eine Frau, die verrückt ist. Ich glaube, ich habe überhaupt keine Probleme. Trotz seines chaotischen Leben freue ich mich über seine Besuche. Marcus macht schon sein ganzes Leben lang den Komiker Richard Pryor nach, und jedes Wort, das er von sich gibt, ist zum Schießen. In der Regel lachen wir die ganze Stunde lang, während er auf seine Kinder schimpft. Meine jüngere Schwester, Ruby, lebt an der Westküste, und ich sehe sie einmal im Jahr. Jede Woche schreibt sie mir pflichtbewusst einen Brief, was ich sehr zu schätzen weiß. Ich habe einen entfernten Cousin, der sieben Jahre wegen eines bewaffneten Raubüberfalls abgesessen hat – ich war sein Anwalt – und zweimal im Jahr kommt, weil ich ihn besucht habe, als er im Gefängnis war.
    Nach drei Jahren hier bekomme ich oft monatelang keinen Besuch, abgesehen von meinem Vater. Die Justizvollzugsbehörde versucht, alle Häftlinge nicht weiter als achthundert Kilometer von ihren Heimatstädten entfernt unterzubringen. Ich habe Glück, dass Winchester so nahe ist, aber es hätte genauso gut tausend Kilometer weit weg sein können. Mehrere meiner
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