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Das Komplott (German Edition)

Das Komplott (German Edition)

Titel: Das Komplott (German Edition)
Autoren: John Grisham
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ihm sehr dankbar bin. Das Geld geht auf mein Konto und erlaubt mir, Sachen wie Stifte, Notizblöcke, Taschenbücher und genießbares Essen zu kaufen. Die meisten Mitglieder meiner weißen Gang erhalten Schecks von zu Hause, aber in meiner schwarzen Gang bekommt so gut wie niemand auch nur einen Penny. Im Gefängnis weiß man immer, wer Geld bekommt und wer nicht.
    »Du hast fast die Hälfte hinter dir«, meint er.
    »In zwei Wochen sind es fünf Jahre«, erwidere ich.
    »Die Zeit geht sicher schnell vorbei.«
    »Draußen vielleicht. Ich kann dir versichern, dass die Uhren auf dieser Seite der Mauer erheblich langsamer laufen.«
    »Trotzdem ist es schwer zu glauben, dass du schon seit fünf Jahren sitzt.«
    Allerdings. Wie überlebt man jahrelang im Gefängnis? Man denkt nicht über Jahre oder Monate oder Wochen nach. Man denkt an heute – wie man den Tag durchsteht, wie man ihn überlebt. Wenn man morgens aufwacht, liegt wieder ein Tag hinter einem. Die Tage summieren sich, die Wochen laufen zusammen, die Monate werden zu Jahren. Irgendwann wird einem klar, dass man zäh ist, dass man funktionieren und überleben kann, weil man keine andere Wahl hat.
    »Weißt du schon, was du machen wirst?«, fragt er. Inzwischen stellt er mir diese Frage jeden Monat, als würde es nicht mehr lange dauern bis zu meiner Entlassung.
    Geduld, ermahne ich mich. Er ist mein Vater. Und er ist hier! Das zählt viel. »Eigentlich nicht. Es ist noch zu weit weg.«
    »Ich würde langsam mal anfangen, darüber nachzudenken, wenn ich du wäre.« Er weiß natürlich ganz genau, was er an meiner Stelle tun würde.
    »Ich habe gerade einen Fortgeschrittenenkurs in Spanisch abgeschlossen«, berichte ich nicht ohne Stolz. In meiner braunen Gang habe ich einen guten Freund, Marco, der ein ausgezeichneter Lehrer ist. Er sitzt wegen einer Drogensache.
    »Bald werden wir ja wohl alle Spanisch sprechen. Sie kommen an die Macht.«
    Henry hat nicht viel Geduld mit Einwanderern, Leuten mit Akzent, Leuten aus New York und New Jersey, Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen. Außerdem ist er der Meinung, dass man Obdachlose zusammentreiben und in Camps internieren sollte, die seiner Ansicht nach schlimmer als Guantánamo aussehen müssten.
    Vor ein paar Jahren sind wir uns deshalb einmal in die Haare geraten, und er hat gedroht, mich nicht mehr zu besuchen. Es ist Zeitverschwendung, mit ihm zu streiten. Ich werde ihn nicht mehr ändern. Er ist so nett, hierherzufahren; mich zu benehmen ist das Mindeste, was ich tun kann. Ich bin der verurteilte Straftäter, nicht er. Er ist der Gewinner, ich der Verlierer. Das scheint Henry wichtig zu sein, obwohl ich nicht weiß, warum. Vielleicht, weil ich aufs College gegangen bin und Jura studiert habe, etwas, wovon er nicht einmal geträumt hat.
    »Ich werde wahrscheinlich das Land verlassen«, sage ich. »Irgendwo hingehen, wo ich mein Spanisch brauchen kann, Panama oder Costa Rica vielleicht. Warmes Klima, Strände, Leute mit einer dunkleren Hautfarbe. Sie kümmern sich nicht um Vorstrafenregister oder darum, ob jemand mal im Gefängnis gewesen ist.«
    »Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner, stimmt’s?«
    »Richtig, Dad. Wenn man im Gefängnis sitzt, ist das Gras überall grüner. Was soll ich denn machen? Wieder nach Hause gehen und als Anwaltsassistent ohne Zulassung für eine winzige Kanzlei arbeiten, die es sich nicht leisten kann, mich einzustellen? Soll ich vielleicht Kautionsagent werden? Wie wäre es mit Privatdetektiv? Es gibt nicht viele Möglichkeiten.«
    Er nickt. Über dieses Thema haben wir schon mindestens ein halbes Dutzend Mal gesprochen. »Und du hasst den Staat«, sagt er.
    »O ja. Ich hasse den Staat, das FBI , die Bundesanwälte, die Bundesrichter, die Idioten, die die Gefängnisse betreiben. Ich hasse das alles. Ich sitze hier zehn Jahre ab, für ein Verbrechen, das keines ist, weil irgend so ein karrieregeiler Bundesanwalt etwas für seine Erfolgsbilanz tun musste. Und wenn mich der Staat schon ohne Beweise für zehn Jahre hinter Gitter schicken kann, möchte ich mir nicht vorstellen, was mir jetzt, wo auf meine Stirn ›Verurteilter Verbrecher‹ tätowiert ist, noch alles blühen kann. Nein, Dad, sobald ich den Absprung schaffe, bin ich weg.«
    Er nickt und lächelt. Ja, klar, Mal.

3
    Angesichts der Bedeutung dessen, was sie tun, ihrer häufig umstrittenen Entscheidungen und der äußerst gewalttätigen Menschen, denen sie manchmal gegenüberstehen, ist es bemerkenswert, dass in
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