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Das Komplott (German Edition)

Das Komplott (German Edition)

Titel: Das Komplott (German Edition)
Autoren: John Grisham
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noch dazu als Schwarzer –, und nur wenige Mandanten waren in der Lage, ein anständiges Honorar zu zahlen. In der Braddock Street waren zahllose weitere Anwälte mit ihrer Kanzlei vertreten, die alle dieselben Mandanten haben wollten; der Konkurrenzkampf war hart. Ich weiß noch nicht, was ich machen werde, wenn das hier vorbei ist, aber ich bezweifle, dass es etwas mit Jura zu tun haben wird.
    Ich werde dann achtundvierzig, ledig und – hoffentlich – bei guter Gesundheit sein.
    Fünf Jahre sind eine Ewigkeit. Jeden Tag mache ich einen langen Spaziergang, allein, auf einem nicht asphaltierten Joggingpfad, der sich um das Camp herumzieht und dem Grundstücksverlauf folgt, der auch »Grenze« genannt wird. Überquert man diese Grenze, zählt das als Fluchtversuch. Obwohl hier ein Gefängnis gebaut wurde, ist es ein wunderschöner Flecken Erde mit einer spektakulären Aussicht. Wenn ich bei meinen Spaziergängen die Hügellandschaft in einiger Entfernung sehe, muss ich mich beherrschen, damit ich nicht einfach weitergehe, nicht die Grenze überquere. Es gibt keinen Zaun, der mich aufhalten würde, keinen Wärter, der meinen Namen rufen würde. Ich könnte im dichten Wald verschwinden, für immer untertauchen.
    Ich wünschte, es gäbe eine Mauer, eine solide, drei Meter hohe Mauer aus Ziegelsteinen mit Stacheldrahtrollen obendrauf, eine Mauer, die mich davon abhalten würde, die Hügel anzustarren und von der Freiheit zu träumen. Das ist ein Gefängnis, verdammt noch mal! Wir können nicht von hier weg. Baut endlich eine Mauer und hört auf, uns in Versuchung zu führen.
    Die Versuchung ist immer da, und sosehr ich auch dagegen ankämpfe, sie wird jeden Tag stärker.

2
    Frostburg liegt nur ein paar Kilometer westlich von Cumberland, Maryland, mitten in einem Zipfelchen Land, das Pennsylvania im Norden und West Virginia im Westen und Süden aufgrund ihrer schieren Größe noch mehr zusammenschrumpfen lassen. Sieht man sich das Ganze auf einer Karte an, springt einem sofort ins Auge, dass dieser Wurmfortsatz das Ergebnis einer dilettantischen Landvermessung war und überhaupt nicht zu Maryland gehören sollte, wobei allerdings auch nicht klar ist, wo er besser aufgehoben wäre. Ich arbeite in der Bücherei, und über meinem kleinen Schreibtisch hängt eine große Landkarte der Vereinigten Staaten an der Wand. Ich verbringe viel zu viel Zeit damit, sie anzustarren, mit offenen Augen zu träumen, mich zu fragen, wie aus mir ein verurteilter Straftäter werden konnte, der im äußersten Westen Marylands in einem Bundesgefängnis sitzt.
    Knapp hundert Kilometer von hier liegt Winchester, Virginia, fünfundzwanzigtausend Einwohner, der Ort, in dem ich geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen bin. Der Ort, in dem ich als Anwalt gearbeitet habe. Der Ort meines Untergangs. Man hat mir erzählt, dass sich nicht viel verändert hat, seit ich nicht mehr dort bin. Die Kanzlei Copeland & Reed hat ihre Räumlichkeiten immer noch in dem Ladengeschäft, in dem früher auch ich gearbeitet habe. Es liegt in der Braddock Street, im Stadtzentrum, direkt neben einem Diner. Der in schwarzen Buchstaben auf das Fenster gemalte Name lautete früher Copeland, Reed & Bannister, und es war die einzige Kanzlei im Umkreis von hundert Kilometern, in der ausschließlich schwarze Anwälte arbeiteten. Man hat mir erzählt, dass Mr. Copeland und Mr. Reed ganz gut zu tun hätten, sicher nicht so viel, dass sie reich werden würden, aber immerhin genug, um ihre beiden Sekretärinnen und die Miete zu bezahlen. So ging es auch schon, als ich dort einer der Partner war – wir kamen gerade über die Runden. Zum Zeitpunkt meines Untergangs hatte ich ernsthafte Zweifel daran, in einer so kleinen Stadt überleben zu können.
    Man hat mir erzählt, dass Mr. Copeland und Mr. Reed sich weigern, über mich und meine Probleme zu sprechen. Um ein Haar wären sie ebenfalls angeklagt worden, und ihr guter Ruf litt sehr darunter. Der Staatsanwalt, der mich festgenagelt hat, schoss mit der Schrotflinte auf jeden, der auch nur im Entferntesten etwas mit seiner grandiosen Verschwörung zu tun hatte, und fast hätte er die ganze Kanzlei ruiniert. Mein Verbrechen bestand darin, den falschen Mandanten zu vertreten. Meine beiden ehemaligen Partner haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Das, was passiert ist, bedauere ich in vielerlei Hinsicht, doch dass meine ehemaligen Partner verleumdet wurden, hält mich nachts immer noch wach. Sie sind beide Ende sechzig, und
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