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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster
Autoren: Jonathan Barnes
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dass er in seiner Zelle nur das Beste vom Besten bekommt. Ich habe eisern darauf bestanden, dass jene, die ihn betreuen und sich um ihn kümmern, auf Herz und Nieren geprüft werden, bevor ihnen die Verantwortung für ihn übertragen wird, um eine Wiederholung dessen zu vermeiden, was mittlerweile euphemistisch als »das Hickey-Brown-Problem« bezeichnet wird.
    Natürlich verlässt Henry seine Zelle nie. Ich verdanke ihm mein Leben, aber man würde dem armen Kerl wohl keinen Gefallen tun, ihn frei herumlaufen zu lassen.
    Wie üblich schien er mich auch bei meinem letzten Besuch nicht wahrzunehmen. Ich brachte Silverman mit, um ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten, aber Henry wirkte abwesend und blind gegen unsere Anwesenheit. Er verbrachte die gesamte Zeit unseres Besuches damit, immer wieder dieselben fünf Wörter zu intonieren.
    Seltsamerweise befand sich eine kleine graue Katze bei ihm in seinem Kreis; sie lag zusammengerollt zu Henrys Füßen, schnurrte zufrieden und schien sich durchaus wohlzufühlen. Ich habe mich erkundigt, wie das Tierchen dort hineingelangte, aber es wird Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen versichere, dass eine einigermaßen überzeugende Erklärung dafür noch aussteht.
     
    Nachdem ich Henry meine ungebrochene Unterstützung gelobt und mir die Feuchtigkeit aus den Augen getupft hatte, sagte ich ihm Lebewohl. Dann machte ich einen Abstecher zu einem gewissen Örtchen und befahl Silverman ungeachtet seiner Einwände, oben auf mich zu warten. Ich hatte mein Geschäft beendet und war ans Waschbecken getreten, um mir die Hände zu säubern, als ich eine verschwommene Bewegung wahrnahm, ein kurzes Aufblitzen von Farbe im Spiegel.
    Zwei Männer standen hinter mir. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie es ihnen gelungen war, ungesehen und unangefochten einzutreten, doch ich erkannte sie selbstredend augenblicklich wieder. In Anbetracht ihrer Schuluniformen, der knorrigen nackten Knie und dieser unvergesslichen Ausstrahlung von Bedrohlichkeit, war das wohl unvermeidlich.
    »Hallo, Sir!«
    »Tagchen, Arthur, alter Junge!«
    Ich wagte nur, mich an ihre Spiegelbilder zu wenden, und fragte die beiden, was sie von mir wünschten.
    »Wollten bloß mal vorbeischauen, Sir.«
    »Einfach auf einen Sprung vorbeikommen, um ein wenig zu quasseln.«
    Ich gab mir Mühe, einen kühlen Kopf zu bewahren, und sprach leise und sanft, als ich anmerkte, dass ohne ihr Eingreifen London in Trümmern läge.
    »Ach, hören Sie auf, Sir, sonst werden wir noch rot!«
    »Sie bringen uns echt in Verlegenheit, Sir. Boon wird so rot wie ’ne Tomate!«
    Ich sagte ihnen, dass mir ihre Motive ewig unergründlich bleiben würden.
    Darüber lachten diese schrecklichen Wesen schallend. »Das kommt schon noch, altes Haus!«
    »Künftig werden wir uns ja weitaus häufiger sehen.«
    Mein Mund wurde trocken; ich fragte sie, wie ich das verstehen dürfe.
    »Wir werden des Öfteren mal bei Ihnen reinplatzen, Hawker und ich.«
    »Bloß, um die Dinge im Auge zu behalten.«
    »Wir wollen sichergehen, dass Sie sich gescheiter anstellen als der Rest Ihrer Familie.«
    »Wir werden Ihre Ratgeber sein, Sir!«
    »Die maßgeblichen Kräfte hinter dem Thron!«
    »Kein Grund, so ein Gesicht zu machen, alter Knabe!«
    »Nur Mut.« Boon grinste und tippte sich in einem spöttischen Abschiedsgruß an die Mütze. »Sie werden’s kaum merken, dass wir da sind.«
    Mich schauderte, und ich wandte den Blick ab. Als ich wieder hinsah, waren die Präfekten verschwunden, und die einzige Spur, die sie hinterlassen hatten, war der Geruch nach Feuerwerk und Brausepulver.
    Ich verließ den Raum, so rasch ich konnte, und verzichtete sogar darauf, mir die Hände abzutrocknen. Es gelang mir gerade noch, mich so weit zu beherrschen, dass ich auf meinem Weg vorbei an den Fotos verstorbener Premierminister, am Dienstpersonal, an den Sicherheitsleuten und an der Parade von Staatsbeamten nicht zu rennen anfing.
    Draußen im erbarmungslosen Sonnenschein musste ich innehalten, um erst einmal Atem zu schöpfen und einen klaren Kopf zu bekommen, denn ich wusste in diesem schrecklichen Moment des Begreifens, dass ich gerade einen Blick auf die Beschaffenheit meines restlichen Lebens geworfen hatte.
    Silverman wartete schon. »Sir?«, fragte er in einem Tonfall, der wie immer ein Muster an Ehrerbietung und Ausgeglichenheit war. »Ist alles in Ordnung?«
    Ich versuchte zu reden, aber die Worte wollten nicht kommen. Es war mir absolut unmöglich, die Namen der beiden laut
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