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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Autoren: Stephen Hunt
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Sie hier so nahe an der Feuersee sind, wächst und blubbert alles in enormer Geschwindigkeit.«
    Der Jackalianer nahm ein Handtuch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Lief da etwa eine Träne über seine fleischige Wange? Dann stellte sie fest, dem Fremden war aufgefallen, dass sie die unausgesprochenen sentimentalen Gedanken, die ihm im Kopf herumgingen,
durchaus bemerkt hatte. »Sie haben den alten Blacky an jemanden erinnert, das ist alles.«
    Die Perlentaucherin fragte nicht weiter nach. Und er sagte nichts. Es war nicht die rechte Zeit für die Geschichte einer Frau, die ihr Land und all seine Bewohner gerettet hatte, indem sie sich in einen rostigen Säbel stürzte und einen Hieb fing, den sie nur allzu leicht hätte parieren können. Auf jedem Platz jeder catosischen Stadt hätte eine verdammt große Statue von ihr stehen sollen, aber hierzulande baute man keine Denkmäler für Kriegerinnen, die sich gegen einen Lehnsherrn, dem sie einmal die Treue geschworen hatten, erhoben – nicht einmal, wenn sie es so geschickt anstellten, dass sie lediglich ein Duell verloren.
    Nachdem der Fremde sich den Helm aufgestülpt und sie die Halsdichtung überprüft hatte, zeigte die Perlentaucherin ihrer Schwester den erhobenen Daumen. »Was liegt denn in diesem Wrack da unten, alter Knabe?«
    »Ach, nur ein paar Pennys.« Der Jackalianer lächelte durch das Visier. »Gerade genug, um einem alten Meersäufer den Lebensabend zu sichern. Und das ist doch nicht zu viel verlangt, oder? Eine bescheidene Pension, die für eine volle Speisekammer und einen kleinen Schluck Jinn ausreicht, um mich in einsamen Nächten ein wenig zu wärmen?«
     
    Wie üblich nach einem Hinterhalt formten die Siltempter einen unrunden Kreis, drängten und schoben
sich über die Leichen der toten Craynarbier, während Niederbolzen den Wagen mit den Pelzen und Fellen durchwühlte und nach den erlesensten und seltensten Stücken suchte, die zu seinem Herrschermantel passen würden – nun, da er sich zum Großherzog von Liongeli ernannt hatte.
    Niederbolzens Schlote dampften noch vor Aufregung über den Angriff auf die craynarbischen Händler, und mit einer herrischen Bewegung seiner dicken Kampfarme verscheuchte er all die anderen dampfmannähnlichen Geschöpfe, die seiner Beute zu nahe kamen. Er war der Stärkste und der Brutalste. Das hier war sein Recht.
    Von irgendeiner Stelle unter dem Blätterdach kam ein Schrei einer Sprechvorrichtung, der die Schlingpflanzen erzittern und alle Dschungelbewohner in Hörweite vor Angst erbeben ließ. Es war ein Ton, den Niederbolzen seit vielen Wochen nicht mehr gehört hatte, seit er den letzten Siltempter erledigt hatte, der so unbesonnen gewesen war, ihm eine Herausforderung entgegenzuschleudern. Er hatte den Verlierer zerlegt und seine Teile als Geschenke unter seinen Höflingen bei einem Fest verteilt.
    »Wer wagt es?«
    An einer Liane schwang sich ein unverschämter Fremder auf die Lichtung und ließ sich kurz vor den erschlagenen Craynarbiern zu Boden fallen, wobei er den Aufprall mit affenartiger Gewandtheit abfing.
    »Ich wage es«, sagte der Neuankömmling. »Ich habe
erfahren, dass du dich zum Großherzog der Siltempter ernannt hast, Niederbolzen, und in unserem Land ist nur Platz für einen einzigen Herrscher von Liongeli.«
    Niederbolzen ließ in höhnischem Zorn einen Dampfstrahl aus seinen Schloten fahren. »Herrscher! Ich sehe keine Herrscher. Ich sehe totes Metall, das läuft. Und du hast mich tatsächlich aufgesucht, um mich herauszufordern, du vierarmige Abartigkeit?«
    »Das haben wir.«
    Niederbolzen drehte den Kopf, um die bestätigenden Blicke seiner Gefolgsleute zu erhaschen, die ihre Luftgewehre umklammerten und affenartige Zustimmungsgeräusche von sich gaben. »Wir? Ich sehe nur einen einsamen, dummen Mischling, der nach zu vielen Regenzeiten ohne Neuversiegelung defekt geworden ist.«
    »Wir!«, rief Eisenflanke, und von der Schulter nahm er den größten verdammten Rumpföffner, den man bei den Siltemptern je gesehen hatte – ja, den man überhaupt für möglich gehalten hatte. Er warf die Scheide aus Donnerechsenhaut beiseite, drückte auf den Abzug und ließ die rotierenden Klingen in schauerlichem Kreischen aufheulen.
     
    Amelia sah aus dem Fenster auf den Innenhof hinab. Hier erstreckte sich immer noch derselbe sorgfältig gepflegte Rasen, und Studenten in schwarzen Talaren folgten dem Ruf der Dampfpfeifen in ihre Seminare. Nichts hatte sich hier verändert, nichts
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