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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte
Autoren: Stephen Hunt
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sie dauernd in chemische Bleiche stecken musste. Man bekam Stellen in schwach erleuchteten Handwerksstuben und Fabrikhallen, wo man sich den ganzen Tag über einen Webstuhl oder eine Schneidemaschine krümmte, wo einem das Metall um die Ohren flog und man pro Jahr einen Finger verlor.
    Molly, die für ihr Alter recht klein war, hatte ihr zwölftes und dreizehntes Lebensjahr als Schachtmädchen zugebracht und war mit einer Bürste die dunklen Luftschächte der Drucklufthäuser entlanggeklettert, um sie von Ruß und Staub zu befreien. Das war, bevor der Blimber-Watts-Turm zusammenstürzte. Mit seinen fünfzig Stockwerken galt Blimber Watts damals als wegweisendes Bauwerk seiner Zeit. Tausende von Schreibern fanden darin Platz, es gab ein Atrium aus Marmor und sogar einen Sonnengarten innerhalb der gummibeschichteten Leinenhaut. Aber die Zeichner hatten sich bei der Belastungsberechnung versehen, und die Wasserdämme brachen, woraufhin die ganze Druckluftkonstruktion in die verstopften Straßen gestürzt war.
    Molly war in den Luftschächten im 38. Stock unterwegs gewesen, als der Turm den Halt verlor und um einiges schneller in sich zusammenfiel, als er einst aufgerichtet worden war. Panisch griff sie in der Dunkelheit nach den Wänden, aus denen Luft und Spannung wichen, während sich ihr bei dem freien Fall der Magen umdrehte. Dann folgte ein fürchterlicher Aufprall, und fünf Tage lag sie zwischen zwei undichten Wasserzellen und leckte die abgestandene, dreckige Flüssigkeit von den Wänden. Vor Entsetzen übergab sie sich, und ihre Stimme verwandelte sich in ein schneidendes Krächzen, als sie wieder und wieder um Hilfe schrie.
    Irgendwann verlor sie alle Hoffnung auf Rettung, wie sie so in der Umarmung zusammengepresster Gummiwände dalag. Bis sie den Dampfmann spürte, der die Überreste des Gebäudes über ihr zerschnitt. Molly wusste, dass sie eine unnatürliche Schwäche für die mechanische Rasse besaß; die polierten Kesselherzen, die komplizierten Zahnradmechanismen und die Silikatprismen verlangten danach, untersucht, in ihren Fingern hin und her gedreht, zu verzwickten Mustern zusammengerügt zu werden. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und den Arbeiter mit reiner Willensanstrengung dazu gebracht, ihre Gedanken zu hören – hier, hier, HIER unten.
    Minuten später schlug der schweigende Dampfmann einen spannendicken Gummistreifen zur Seite und ließ eine Flut unglaublich grellen Tageslichts zu ihr hineinströmen. Dann stand er schweigend da, eine eiserne Statue, bis Molly bemerkte, dass man seine Sprechvorrichtung entfernt hatte. Der Dampfmann nickte sanft, dann wandte er sich ab, als sei es für das Metallgeschöpf an der Tagesordnung, blutige, geschwärzte Mädchen aus dem Boden hervorkrabbeln zu sehen.
    Wie hatte der Büttel sie beschimpft und geschlagen, damit sie wieder in die Luftschächte kroch. Aber das einzige Mal, dass sie es versucht hatte, mussten zwei andere Schachtmädchen hinter ihr hergeschickt werden, um ihren bebenden, starr und stumm gewordenen Körper aus einem der Gänge zu ziehen.
    »Komm«, sagte Rachael. »Nehmen wir den Umweg durch die Blackglass Lane; man sammelte sich gerade zu einem Marsch durch Grumblebank, als ich vorhin losging, um dich abzuholen.«
    »Der König?«, fragte Molly.
    »Noch besser, Kleine. Die Sondergarde.«
    Trotz des Ärgers, der sie im Armenhaus erwartete, weil sie wieder eine Arbeit verloren hatte, lächelte Molly. Alle liebten die Sondergarde. Ihre extremen Fähigkeiten und Kräfte. Ihre schön geschnittenen Uniformen. Sie verbrachten Tage in den Krafträumen, um ihre athletischen Körper zu stählen.
    Die beiden Mädchen durchquerten einige alte Elendsquartiere, verfallen und voller Müll, bevor sie wieder eine der breiten, sauberen Straßen erreichten, die parallel zur Sun Street verliefen. Dort säumte bereits eine Menge neugieriger Schaulustiger die Straßen. Eine Reihe Presser von der örtlichen Polizeiwache, deren dunkle Patronengurte ihnen mit schimmernden, kristallinen Kugeln überkreuz über die schwarzen Konstableruniformen liefen, hielten die Reporter zurück.
    Auf der Durchgangsstraße näherte sich währenddessen eine Kolonne der Sondergarde in ihrem typischen Schritt mit hoch geworfenem Bein, und die hohen Stiefel krachten wie Peitschenhiebe im völligen Einklang auf die Straße. Der Boden schien unter ihrem Herannahen zu erzittern.
    »Da sind deine Wachsoldaten«, sagte Molly.
    »Und da ist dein König«, fügte Rachael hinzu.
    Seine
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