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Das kleine Gespenst

Das kleine Gespenst

Titel: Das kleine Gespenst
Autoren: Otfried Preußler
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Ausnahme ..."
    „Und die Ausnahme, die bin ich!", rief das kleine Gespenst, das allmählich begriffen hatte, wie alles zusammenhing. „Bloss weil die Rathausuhr nachgeht, wache ich neuerdings immer zu Mittag auf, statt um Mitternacht!

    Die Geschwister nickten. Sie zweifelten nicht daran, dass die Sache sich so verhielt.
    „Ihr glaubt also wirklich, dass ihr mir helfen könnt?"
    „Das glauben wir", sagte Herbert.
    „Und deshalb", erklärte Günther, „steigen wir heute Abend um sieben mit dem Herrn Zifferle auf den Rathausturm ..."
    „Und dann", setzte Jutta fort, „wird die Rathausuhr einfach um zwölf Stunden weitergedreht, bis sie wieder stimmt."
    „Das ist alles?", staunte das kleine Gespenst.
    Ja, das sei alles, sagten die Apothekerskinder. Sollte es fehlschlagen, wüssten sie nicht, was sonst helfen könnte.
    „Aber es wird schon klappen!", rief Jutta zuversichtlich; und Günther beteuerte:
    „Selbstverständlich klappt es!"
    „Ach, Kinder!", seufzte das kleine Gespenst und verdrehte die weißen Augen dabei. „Wenn ihr recht behieltet - es wäre nicht auszudenken!"
    Dann schwärmte es den Geschwistern vor, wie sehr es sich darauf freue, wieder als Nachtgespenst durch die Burg zu geistern und dass es sich überhaupt nichts Schöneres denken könne. Und so schwärmte es, bis die Mittagsstunde beinahe zu
    Ende war. Da fiel ihm auf einmal der Brief an den Bürgermeister ein.
    „Den Brief könnt ihr heute Abend zur Post bringen", sagte es. „Ob wir Glück haben mit der Rathausuhr oder nicht - morgen um diese Zeit werde ich jedenfalls nicht mehr im Städtchen Eulenberg sein, das steht fest."
    Dann wollte es sich empfehlen, um in den Keller zu schlüpfen. Doch Jutta ließ das nicht zu. Sie bestand darauf, dass das kleine Gespenst diesmal nicht im Keller schlief, sondern im Gartenhäuschen, wo sie ihm mit den Kissen aus ihrem Puppenbett in der Sitztruhe ein bequemes Lager richtete.
    „Schlafen Sie wohl - und viel Glück beim Erwachen!", wünschte sie ihm, bevor sich Schlag eins über ihm der Deckel schloss.

Abends um sieben, nachdem sie den Brief an den Bürgermeister zur Post gebracht hatten, stiegen die Apothekerskinder mit dem Uhrmachermeister Zif-ferle auf den Rathausturm und Herr Zifferle drehte mit einem großen Schraubenschlüssel die Zeiger der Rathausuhr um zwölf Stunden vor, bis die Zeit auf dem Zifferblatt und die Tageszeit wieder übereinstimmten.
    „So, das hätten wir", meinte er, als die Arbeit getan war, „Hoffentlich hilft es auch!"
    Die Frau Apotheker konnte sich nicht erklären, weshalb die Kinder heute sofort nach dem Abendessen ins Bett gingen, Aber die letzte Nacht war für Herbert und seine Geschwister ein bisschen zu kurz gewesen, Sie stellten den Wecker auf zehn Minuten vor zwölf, dann fielen ihnen vor Übermüdung die Augen zu.
    „Ich möchte bloß wissen, was mit den Kindern los ist", sagte die Frau Apotheker voll Sorge zu ihrem Mann. „Sie werden uns doch nicht krank werden?
    Bisher sind sie in ihrem ganzen Leben bloß zweimal freiwillig schlafen gegangen. Das eine Mal haben sie tags darauf Mumps bekommen, beim zweiten Mal Scharlach. Es werden doch diesmal hoffentlich nicht die Masern sein oder die Windpocken!"
    Herbert und Günther schliefen so fest und tief, dass sie sich vom Gerassel des Weckers nicht stören ließen. Glücklicherweise erwachte wenigstens Jutta davon und mit einiger Mühe schaffte sie es, die Brüder munter zu kriegen.
    „Rasch aufstehen, Günther und Herbert, gleich ist es so weit! Jeden Augenblick muss es zwölf Uhr schlagen!"
    Vom Fenster aus konnten die Kinder das Gartenhäuschen beobachten. Es war eine finstere Nacht heute. Der Mond hielt sich hinter dichtem Gewölk verborgen. Nur gut, dass nahe am Zaun eine Straßenlaterne stand, deren Licht bis zum Gartenhäuschen hinüberschimmerte!
    „Hoffentlich warten wir nicht umsonst", meinte Günther zweifelnd.
    „Hoffentlich nicht", sagte Herbert genauso unsicher.
    Nur Jutta war fest davon überzeugt, die Sache werde ein gutes Ende nehmen. Sie blieb ruhig und voller Zuversicht - bis zu dem Augenblick, als die
    Rathausglocke zu schlagen begann. Da bekam auch sie starkes Herzklopfen und atemlos zählte sie jeden einzelnen Glockenschlag mit.
    Vier helle Schläge, zwölf dunklere ... Es war Mitternacht!
    Die Geschwister wagten sich nicht zu rühren. Sie starrten zum Gartenhäuschen hinüber.
    Da, seht doch! - Nun öffnete sich auf einmal die Tür drüben und heraus huschte eine dunkle Gestalt. Sie war
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