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Das kleine Gespenst

Das kleine Gespenst

Titel: Das kleine Gespenst
Autoren: Otfried Preußler
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aufzuhalten, ihnen den Weg zu beschreiben. Auch meinten die Kinder, es sei nicht besonders schwierig für sie, sich nachts aus dem Haus zu schleichen, das ließe sich einrichten,
    „Aber wie kommen wir durch die Burg?", fragte Herbert. „Es gibt keinen anderen Weg, der zur Eiche führt. Und die Burgtore werden am Abend bekanntlich abgeschlossen,"
    Günther und Jutta machten bestürzte Gesichter, aber das kleine Gespenst wusste Rat.
    „Ich leihe euch einfach den Schlüsselbund mit den dreizehn Schlüsseln", sagte es und erklärte den Kindern, was für eine Bewandtnis es damit hatte. „So kommt ihr am leichtesten in die Burg hinein und am leichtesten wieder heraus."
    Nun versprachen die Apothekerskinder dem kleinen Gespenst, in der nächsten Nacht zu der hohlen Eiche zu gehen und den Uhu Schuhu um Rat zu fragen.

    Das kleine Gespenst war sehr glücklich darüber und dankte ihnen. Dann reichte es Herbert den Schlüsselbund mit den dreizehn Schlüsseln.
    „Macht eure Sache gut - und vergesst nicht: Der Uhu Schuhu legt größten Wert darauf, dass man ihm immer höflich kommt und ihn niemals duzt, sondern immer mit ,Sie' und ,Herr Schuhu' anredet. Das wollte ich euch nur sagen, damit ihr Bescheid wisst ... Und noch etwas! Würdet ihr, bitte, den Brief an den Bürgermeister heute noch nicht zur Post bringen?"
    „Wie Sie wünschen", versicherte Herbert. „Aber warum eigentlich?"
    „Weil ich dem Bürgermeister versprochen habe, morgen für immer aus Eulenberg zu verschwinden", sagte das kleine Gespenst. „Und es könnte doch sein, dass ich morgen noch gar nicht weg kann, nach alledem, was wir eben besprochen haben."

In der Nacht zwischen elf und halb zwölf verließen die Apothekerskinder auf Zehenspitzen das Haus. Alles verlief ohne Zwischenfall, weder die Eltern noch der Provisor Deuerlein, der heute in der Ratsapotheke Nachtdienst hatte, merkten etwas davon.
    Um diese Zeit lag das Städtchen Eulenberg schon in tiefem Schlaf. Von niemandem gesehen, eilten die Kinder durch Nebenstraßen und schmale Gässchen zum Oberen Tor. Dort schlugen sie einen Fußpfad ein, der zur Burg führte. Er war steinig und steil, sie stolperten in der Dunkelheit alle Nasen lang über Baum wurzeln, Felsbrocken und die eigenen Füße.
    „Wozu habe ich eigentlich meine Taschenlampe mit?", meinte Günther.
    Er wollte die Lampe anknipsen, aber Herbert verbot es ihm.
    „Lass das, wir dürfen uns nicht verraten!"
    „Na schön", brummte Günther. „Ich hatte es ja bloß gut gemeint ..."
    Auf dem Platz vor dem äußeren Burgtor verschnauften sie. Jutta zog aus der Rocktasche eine Tüte Kandiszucker hervor.
    „ Kleine Stärkung gefällig?"
    Nicht nur sie, auch die beiden Jungen hatten gewaltiges Herzklopfen. Günther hätte natürlich behauptet, daran sei der steile Weg schuld.
    „Wollen wir?", fragte Herbert nach einer Weile.
    „Ja", sagten Günther und Jutta tapfer.
    Der große Augenblick war gekommen, Herbert schwenkte den Schlüsselbund mit den dreizehn Schlüsseln. Der Zauber wirkte, leicht und geräuschlos öffneten sich die schweren Flügel des Burgtores.
    „Rasch hinein!", drängte Herbert.
    Als sie im Burghof waren, schloss sich das Tor hinter ihnen wieder.
    „Fabelhaft!", sagte Günther. „Nun kann nichts mehr schiefgehen!"
    Auch das mittlere und das innere Burgtor gehorchten dem Wink mit dem Schlüsselbund.

    Zaghaft zunächst, doch bald fester und immer herzhafter schritten die Kinder aus. Einmal flatterte eine Fledermaus dicht über ihre Köpfe hinweg, einmal scheuchten sie im Vorbeigehen ein paar Ratten auf. Sie erschraken darüber, ließen sich aber nicht aufhalten.
    Etwa um Mitternacht standen sie vor der hohlen Eiche.
    Hoffentlich war der Uhu Schuhu zu Hause! Günther holte die Taschenlampe hervor und leuchtete in die Zweige hinauf. Da ließ sich hoch droben im Baumwipfel eine heisere Stimme vernehmen, die etwas in der Uhu-Sprache zu ihnen herunterrief. Günther und Jutta konnten es nicht verstehen, nur Herbert verstand es.
    „Du sollst deine Lampe ausknipsen, sagt er, sie blendet ihn!"
    Günther und Jutta staunten. „Verstehst du ihn?"
    „Ihr etwa nicht?", meinte Herbert. „Dann muss es wohl an den Schlüsseln liegen ..."
    Da fassten auch Günther und Jutta den Schlüsselbund an. Von nun an verstanden auch sie die Uhu-Sprache.
    „Wer sind Sie?", fragte der Uhu Schuhu. „Und woher kommen Sie?"
    „Wir sind die drei Apothekerskinder aus Eulenberg" , sagte Herbert. „Ein alter Bekannter von Ihnen schickt uns
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