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Das Kleine Buch Der Wahren Liebe

Das Kleine Buch Der Wahren Liebe

Titel: Das Kleine Buch Der Wahren Liebe
Autoren: Anselm Gruen
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Das apokryphe Thomasevangelium, ein gnostischer Text aus dem zweiten Jahrhundert, überliefert uns ein Wort Jesu, das lautet: „Ich bin das Licht, das über allem ist. Ich bin das All. Aus mir ist das All hervorgegangen, und zu mir ist das All gelangt. Spaltet ein Stück Holz – ich bin da. Hebt den Stein auf, und ihr werdet mich dort finden.“

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    Ohne sich dem Transzendenten zu öffnen, verschließt sich der Mensch in sich selbst und geht an seiner eigenen Enge und Begrenztheit zugrunde. Im Einssein mit Gott wird der Mensch eins mit sich selbst, mit der Schöpfung und mit allen Menschen. Da hört seine Zerrissenheit auf, und er erahnt, was das Geheimnis jeder Beziehung ist: eins zu werden mit dem andern und darin in Einklang zu kommen mit sich selbst und mit dem Leben.

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    Angelus Silesius sagt in einem Vers: „Der Himmel ist in Dir. Was suchst Du ihn denn erst bei eines andern Tür?“ Damit hat er eine andere Gefahr im Blick. Wir meinen, der andere könne für uns zum Himmel werden. Wenn wir verliebt sind, haben wir den Eindruck, wir würden im siebten Himmel schweben. Liebe kann zur himmlischen Erfahrung werden. Doch wenn wir die Liebe immer nur vom andern erwarten, dann sind wir todunglücklich, wenn der andere unsere Liebe nicht erwidert. Die Liebe ist in uns. Und in der Liebe ist der Himmel in uns. Wenn die Liebe erwidert wird, dürfen wir dankbar sein. Aber auch wenn der andere nicht die gleiche Liebe für uns empfindet, wie wir für ihn, gehört die Liebe, die wir empfinden, uns selbst. Und dort wo die Liebe in uns ist, ist der Himmel. Wir sollten uns nicht völlig vom andern abhängig machen. Wenn wir den Himmel nur vom andern erwarten, werden wir ihn überfordern und den Himmel niemals finden. Wir brauchen sowohl den Blick nach oben, um das Geheimnis der Weite des Himmels und der Andersartigkeit Gottes zu erahnen. Aber wir brauchen auch den Blick nach innen, um den Himmel dort zu erkennen. Dann können wir uns manches Laufen und Hasten und Abrackern ersparen. Denn der Himmel ist schon in uns.

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    Als ich mit einer buddhistischen Nonne und Zen-Meisterin über die Erfahrung des inneren Raumes sprach, meinte sie, Liebe sei zu anstrengend. Sie verstand unter Liebe ein Gefühl. Sie meinte daher, dass man tiefer gehen müsse in einen Raum der Indifferenz, in dem alles gleich sei. Für mich ist es durchaus der Raum der Liebe, aber Liebe ist nicht ein Gefühl, sondern eine Qualität des Seins. Der Raum ist vom Geist Jesu erfüllt, der Liebe ist, göttliche Liebe, eine Kraft, eine Dimension des Seins, jenseits aller Gefühle. Ich muss mich also nicht zu Gefühlen zwingen, vielmehr will mich das Wort, in dem der Geist Jesu mitschwingt, in das wortlose Geheimnis der Stille in mir führen. Doch dieser wortlose Raum ist nicht einfach leer, sondern erfüllt von der Qualität der Liebe, von der göttlichen Liebe, die nicht in erster Linie ein Gefühl, sondern eine Kraft ist, die mich wandelt und die eine Atmosphäre von Wärme und Barmherzigkeit erzeugt.

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    Bernhard von Clairvaux weiß: Gott kann nicht anders als lieben. Um über die Liebe des Menschen zu Gott zu sprechen, fordert er daher seine Hörer auf, nicht nur im Buch der Schöpfung oder im Buch der Bibel zu lesen, sondern auch in dem der eigenen Erfahrung: Die Erfahrung der menschlichen Liebe macht uns offen, das Geheimnis der göttlichen Liebe zu verstehen. Sein berühmtes Buch über die Liebe zu Gott beginnt er mit den markanten Worten: „Der Grund, Gott zu lieben, ist Gott. Das Maß ist, ohne Maß zu lieben.“
     
    Durch alle Stufen der Liebe hindurch, durch die begehrliche Liebe, durch die Liebe, die auf Gegenliebe wartet, soll der Mensch zur reinen Liebe vordringen, die Bernhard in der klassischen Formel beschreibt: „Ich liebe, weil ich liebe; ich liebe, um zu lieben.“

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    Indem ich ihn suche, wird meine Sehnsucht nach ihm immer stärker. Es ist letztlich die Liebe zu Gott, die mich antreibt, Gott zu suchen und ihn zu finden. Und dass ich ihn gefunden habe, treibt mich an, ihn noch mehr zu lieben. Suchen und Finden hören aber nie auf. Ich werde ihn nie so finden, dass ich nicht mehr suchen muss. Indem ich ihn finde, entzieht er sich mir erneut. Aber im Finden, im Ertasten, im Erhaschen Gottes wächst meine Liebe zu ihm. Und die Liebe stachelt meine Sehnsucht an. So beginne ich von neuem, sehnsüchtig nach Gott zu suchen.

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    Die Liebe stärker ist als der Tod. Das ist die Botschaft von der Auferstehung Jesu. Dass
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